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Netzpolitik wird allzu oft als technische Detailfrage für Nerds verkannt. Doch dort verhandeln wir längst individuelle wie kollektive Freiheit, Hoheit und Macht. Zwischen staatlichen Kontrollansprüchen und der Dominanz globaler Techkonzerne geraten die Interessen der Nutzer:innen ins Hintertreffen.

Netzpolitik ist längst keine Nischendisziplin mehr. Sie ist zu einem Feld geworden, in dem Macht ausgeübt, verschoben und abgesichert wird. Wer reguliert, überwacht oder moderiert, entscheidet nicht nur über technische Abläufe, sondern über die Bedingungen öffentlicher Kommunikation und die Hoheit über Technologien. Netzpolitik ist Machtpolitik: Das wurde im vergangenen Jahr besonders deutlich.
Ein Blick auf die großen netzpolitischen Debatten des Jahres zeigt, wie wenig es dabei um technische Fragen im engeren Sinne geht. Abgesehen von Spartenmedien, spezialisierten Interessenvertretungen und Thinktanks spricht öffentlich kaum jemand darüber, mit welchem Werkzeug was wie umgesetzt werden kann. Stattdessen wird darüber diskutiert, wer wessen Verhalten beeinflussen, Daten nutzen und Aktivitäten beobachten darf.
2025 haben Tech-Konzerne ihre faktische Rolle als Regulierungsakteure weiter ausgebaut. Plattformen wie Meta, Google oder ByteDance entscheiden täglich über Sichtbarkeit, Reichweite und Sanktionen. Und sie haben gezeigt, wie opportunistisch die Plattformbetreiber sind, wenn es darum geht, diese Gatekeeper-Stellung und die mit ihr verbundene Macht zu erhalten. Quasi im Gleichschritt gehen sie den von Trumps neofaschistischer Administration eingeschlagenen Weg mit. Stiefel schmecken im Silicon Valley anscheinend besonders gut.
Änderungen an Empfehlungsalgorithmen, der gezielte Einsatz politischer Werbung oder die Verwendung sowie der Umgang mit generativer KI können Auswirkungen auf Wahlkämpfe und mediale Öffentlichkeit haben. Diese höchst relevanten Eingriffe in die politische Öffentlichkeit erfolgen ohne demokratische Legitimation, geleitet von den Interessen der Tech-Giganten. Staatliche Regulierung könnte dieses Problem mildern, birgt damit aber auch die Gefahr, selbst Einfluss zu nehmen, der sich von den Interessen der Bevölkerung unterscheidet oder gar zulasten der Grundrechte der Nutzer:innen geht.
Der Konflikt verläuft dabei regelmäßig nicht zwischen Freiheit und Regulierung, sondern zwischen unterschiedlichen Machtzentren. Der Kampf um die Hoheit über das Netz ist überwiegend bipolar. Staatliche Stellen versuchen, Kontrolle zurückzugewinnen, die sie im digitalen Raum verloren haben, und damit staatliche Interessen zu sichern. Das können Schutz der Nutzer:innen vor der Willkür der Plattformbetreiber auf der einen Seite, aber auch etwa die angebliche Sicherstellung der öffentlichen Ordnung durch die massenhafte Überwachung der Nutzerverhalten sein. Tech-Konzerne verteidigen ihre Deutungshoheit über Plattformregeln, Datenflüsse und Aufmerksamkeit. Primär motiviert durch ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen und die Maximierung ihrer Profitaussichten. Dazwischen stehen die Nutzenden, deren Rechte zwar nahezu gebetsmühlenartig beschworen, aber strukturell selten abgesichert werden.
Wer digitale Freiheitsrechte verteidigt, gerät damit in eine doppelte Abwehrhaltung. Auf der einen Seite steht der Staat, der im Namen von Sicherheit, Ordnung, Jugendschutz oder der Bekämpfung von politischer Einflussnahme immer weitergehende Eingriffsbefugnisse fordert. In diesem Jahr wurde erneut über EU-weite Chatkontrolle, biometrische Überwachung im öffentlichen Raum und den Zugriff auf Kommunikationsmetadaten diskutiert.
Auf der anderen Seite stehen Konzerne, die sich als neutrale Infrastrukturbetreiber inszenieren, tatsächlich aber eigene Interessen verfolgen. Ihre Moderationsentscheidungen sind allzu oft intransparent, ihre Beschwerdewege ineffektiv und ihre Prioritäten wirtschaftlich motiviert. Wenn Plattformbetreiber Konten sperren, Inhalte herauf- oder herabstufen oder Nutzerdaten automatisiert entwerten, fehlt es in der Praxis an rechtsstaatlichen Garantien. Nutzer:innen sind Adressaten von Regeln, an deren Entstehung sie nicht beteiligt waren.
2025 hat auch gezeigt, wie eng diese Machtfragen mit geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen verknüpft sind. Debatten über chinesische Plattformen, europäische Souveränität oder US-amerikanische KI-Modelle sind Fragen der nationalen und globalen Sicherheit. Es geht um Kontrolle über Infrastrukturen und Technologien. Wer die Plattform betreibt, bestimmt die Regeln. Wer die Daten besitzt, kontrolliert die Auswertung. Und derjenige, in dessen Land sich die Infrastrukturen befinden, hat die Souveränität, sie zu regulieren – oder nicht.
Eine um den Erhalt von Freiheitsrechten bemühte Netzpolitik kann sich deshalb nicht mit abstrakten Bekenntnissen begnügen. Sie muss konkrete Anforderungen stellen: rechtsstaatliche Verfahren auch auf Plattformen, effektive Transparenz über algorithmische Entscheidungen, einklagbare Nutzerrechte und klare Grenzen für staatliche Überwachung. Regulierung ist notwendig, aber sie muss sich stets im rechtsstaatlichen Rahmen bewegen. Das heißt, sie muss in ständiger Abwägung der verschiedenen betroffenen Grundrechte geschehen und immer wieder neu vor den Nutzenden erklärt und gerechtfertigt werden. Und sie darf nicht an private Akteure delegiert werden, ohne demokratische Kontrolle sicherzustellen.
Der Rückblick auf das Jahr 2025 zeigt vor allem eines: Die Illusion eines unpolitischen Netzes ist endgültig vorbei. Wer TikTok, Instagram, WhatsApp und Co. heute immer noch primär als Unterhaltungsprogramme für Teenager sieht, hat in den letzten zwölf Monaten nicht aufgepasst. Entscheidungen über Moderation, Sichtbarkeit und Zugriff sind politische Entscheidungen. Sie verteilen Macht zwischen Staat, Konzernen und Nutzer:innen. Wer Netzpolitik weiterhin als technische Detailfrage behandelt, überlässt diese Macht anderen.
Eine wesentliche Aufgabe besteht darin, digitale Räume so zu gestalten, dass sie demokratischer Kontrolle unterliegen, ohne staatlicher Totalaufsicht zu verfallen. Das ist kein einfacher Ausgleich, aber ein notwendiger. Denn wenn Netzpolitik Machtpolitik ist, dann ist die Frage nicht, ob Plattformen reguliert werden, sondern in wessen Interesse – und auf wessen Kosten.
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Katsching und Klimper-klimper: Mit raffinierten Mechanismen fesseln Anbieter von Glücksspielen Menschen an die Geräte und verdienen Milliarden. In ihrem Vortrag auf dem 39C3 nimmt Forscherin Elke Smith die Tricks auseinander – und zeigt, wo Regulierung ansetzen könnte.

Die Slotmaschine rattert, blinkt und klingelt, während ihre Walzen rotieren. Die Lootbox schüttelt sich und pulsiert, als würde sie gleich explodieren, begleitet von anschwellenden Glockenklängen. Für viele Gamer*innen bedeutet das Spaß und Nervenkitzel, ob beim klassischen (Online-)Glücksspiel für Erwachsene oder in Glücksspiel-ähnlichen Games, die teils sogar für Kinder freigegeben sind.
Für die Psychologin und Neurowissenschaftlerin Elke Smith bedeutet Glücksspiel dagegen Arbeit. Denn sie erforscht an der Universität zu Köln menschliche Entscheidungs- und Lernprozesse – darunter jene Mechanismen, die beim Zocken im Hintergrund ablaufen. In ihrem Vortrag auf dem 39. Chaos Communication Congress erklärt Smith die zentralen Tricks von Glücksspiel, die sich inzwischen auch in klassischen Online-Games ausbreiten.
Geschätzt 2,4 Prozent der deutschen Bevölkerung zwischen 18 und 70 Jahren sind laut Gesundheitsministerium süchtig nach Glücksspielen, haben also eine als Krankheit anerkannte Verhaltensstörung. Derweil liegen die Umsätze für legales Glücksspiel in Deutschland bei knapp 63,5 Milliarden Euro. Dennoch kommt der Vortrag der Glücksspiel-Forscherin Smith ohne Verteufelung aus. Vielmehr umreißt sie den Graubereich zwischen Spaß und Suchtgefahr.

Ein besonders auffälliger Glücksspiel-Mechanismus, den Smith hervorhebt, sind audiovisuelle Effekte, die bei hohen Gewinnen noch stärker werden. Darunter fallen zum Beispiel die zu Beginn erwähnten klingelnden und glitzernden Slotmaschinen und Lootboxen. Gerade bei einem Gewinn können virtuelle Funken sprühen, Goldmünzen hageln und Fanfaren blasen. Solche Elemente sind kein bloßes Beiwerk, sondern tragen dazu bei, Menschen durch Reize zu belohnen und damit zum Weiterspielen zu motivieren.
Sogenannte Near Misses sind Fälle, in denen Spieler*innen den Eindruck bekommen, nur ganz knapp verloren zu haben, etwa wenn bei der Slotmaschine das Gewinnsymbol fast getroffen wurde. Zwar macht es finanziell keinen Unterschied, ob man knapp oder deutlich verliert – es fühlt sich aber anders an.
Ein weiterer Mechanismus, den Smith hervorhebt, sind als Verluste getarnte Gewinne, auf Englisch: losses disguised as wins. In diesem Fall bekommen Spielende einen Bruchteil ihres Einsatzes als scheinbaren Gewinn zurück, begleitet mit audiovisuellen Belohnungsreizen.
Bei der Jagd nach Verlusten („chasing losses“) versuchen Spieler*innen wiederum, das verlorene Geld aus vorigen Runden durch immer weitere Einsätze wieder zurückzuholen.
Nicht zuletzt kann sich Glücksspiel auch der sogenannten Kontroll-Illusion („illusion of control“) bedienen. Das ist eine kognitive Verzerrung: Üblicherweise können Menschen durch ihre Entscheidungen tatsächlich ihre Umwelt beeinflussen, dazu lernen und ihre Fähigkeiten verbessern. Beim Glücksspiel dagegen haben Entscheidungen oftmals keinen Einfluss auf das Ergebnis – es fühlt sich nur so an. Als Beispiel nennt Smith die Entscheidung, wann genau man bei einer Slotmaschine den Knopf drückt, um die rollenden Walzen zu stoppen.
Diese und weitere Mechanismen sind nicht auf (Online-)Casinos begrenzt, sondern verbreiten sich auch in klassischen Spiele-Apps, wie Smith ausführt. Die Integration von Glücksspiel-Elementen wie Zufall, Risiko und Belohnung nennt sie „Gamblification“ – und deren Effekte hat sie selbst untersucht.
Gemeinsam mit Forschungskolleg*innen hat Smith gemessen, wie Zuschauer*innen auf YouTube-Videos reagieren, in denen Gamer*innen sich beim Öffnen von Lootboxen filmen. Solche Videos erreichen auf YouTube ein Millionenpublikum und zeigen: Glücksspiel-Mechanismen wirken möglicherweise sogar dann, wenn man anderen nur beim Spielen zuschaut.
Konkret haben die Forschenden Views, Likes und Kommentare von 22.000 Gaming-Videos mit und ohne Lootboxen miteinander verglichen. Das Ergebnis: Der Lootbox-Content hat das Publikum messbar stärker eingenommen als anderer Gaming-Content: mehr Views, mehr Likes, mehr Kommentare. „Dieses erhöhte Engagement könnte mit den Glücksspiel-ähnlichen Eigenschaften der durch Lootboxen vermittelten Belohnungsstruktur zusammenhängen“, heißt es auf Englisch in dem Paper, das im Mai 2025 beim Journal Scientific Reports erschienen ist.
Um ihre Online-Spiele zu optimieren, können Anbieter auf A/B-Testing mit großen empirischen Datenmengen zurückgreifen, erklärt Smith in ihrem Vortrag. Das heißt: Sie können Features einfach ausprobieren und messen, was am besten funktioniert. Schließlich bekommen sie täglich kostenlos neue Daten von Millionen Gamer*innen. Auf diese Weise entstehen Produkte, die von Anfang an so gestaltet sind, dass sie die Belohnungsmechanismen der Spieler*innen am besten ausnutzen. Smith nennt das „Neuroexploitation by design“.
Gegen Ende ihres Vortags geht Smith auf Ansätze ein, um die Gefahren von Glücksspiel-Mechanismen einzudämmen. In Deutschland gibt es etwa den Glücksspielstaatsvertrag. Manche Normen zielen direkt auf Glücksspiel-Mechanismen ab: So muss bei einem virtuellen Automatenspiel etwa ein einzelnes Spiel mindestens fünf Sekunden dauern, der Einsatz darf einen Euro pro Spiel nicht übersteigen. Das soll das Feuerwerk aus Risiko und Belohnung eindämmen.
Ob Lootboxen in die Kategorie Glücksspiel fallen, beschäftigt internationale Gerichte und Gesetzgeber bereits seit Jahren. In Deutschland hatte jüngst der Bundesrat strengere Regeln gefordert. Am 21. November hielten die Länder fest, dass Lootboxen und andere Glücksspiel-ähnliche Mechanismen in Videospielen besser reguliert werden sollen, um Suchtgefahr zu reduzieren. In Belgien und den Niederlanden gibt es bereits strengere Regeln.
Auf EU-Ebene gibt es derzeit kein spezifisches Recht zur Regulierung von Lootboxen, wie die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags den Sachstand im Herbst 2024 zusammenfassen. Allerdings kommen je nach Kontext verschiedene EU-Gesetze in Frage, etwa das Gesetz über digitale Dienste (DSA), das manche Anbieter dazu verpflichtet, Risiken für ihre Nutzer*innen zu erkennen und zu minimieren. Derzeit plant die EU-Kommission zudem den Digital Fairness Act, der Lücken im Verbraucherschutz schließen soll.
„Ich denke, es wäre wichtig, vor allem junge Menschen vor diesen Mechanismen zu schützen“, warnt Smith mit Blick auf Glücksspiel-Mechaniken in Spielen. Damit verweist die Forscherin auf eine Leerstelle in den aktuellen Debatten um Jugendschutz im Netz, die vor allem um Alterskontrollen für soziale Medien kreisen.
Ein fertiges Regulierungs-Konzept für Glücksspiel-Mechanismen hat die Forscherin zwar nicht. In welchem Spannungsfeld man sich bei dem Thema bewegt, bringt sie jedoch in Reaktion auf eine Frage aus dem Publikum auf den Punkt: „Gibt es einen Bereich vom Spieldesign, der Spaß macht, Nervenkitzel birgt, profitabel ist für die Anbieter und im Bereich des sicheren Spielens liegt?“
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Das KIM-System soll garantieren, dass Ärzt:innen und Krankenhäuser geschützt sensible Gesundheitsdaten austauschen können. Auf dem Chaos Communication Congress weist der IT-Forscher Christoph Saatjohann nach, dass das System gravierende Sicherheitslücken aufweist. Verantwortlich dafür sei vor allem die Gematik.

Um Diagnosen, Laborberichte oder Therapiepläne untereinander auszutauschen, nutzen Arztpraxen und Krankenhäuser standardmäßig ein spezielles Mail-System namens „Kommunikation im Medizinwesen“, kurz: KIM.
KIM verspricht, sensible Daten verschlüsselt zu übermitteln, damit Unbefugte sie nicht abfangen und einsehen können. Doch bei der Sicherheit hapert es gewaltig, wie der IT-Sicherheitsforscher Christoph Saatjohann heute auf dem 39. Chaos Communication Congress in Hamburg zeigte. Der NDR und die Süddeutsche Zeitung hatten zuvor über die Recherchen zum Thema berichtet.
Demnach weist das KIM-System seit Jahren gravierende Sicherheitslücken auf. Mit geringem Aufwand können Angreifer unter anderem gefälschte Mail-Adressen anlegen und damit vermeintlich seriös wirkende Nachrichten versenden. Auf diese Weise lassen sich Praxissysteme infiltrieren, um beispielsweise Patient:innendaten zu stehlen.
KIM wurde 2021 bundesweit eingeführt, etwa 100 Millionen Nachrichten werden jedes Jahr über das System verschickt. Neben der elektronischen Patientenakte (ePA) und dem E-Rezept gilt der Dienst als weitere wichtige Säule des digitalen Gesundheitswesens.
Um einen sicheren Nachrichtenversand zu gewährleisten, versieht KIM Nachrichten mit einer digitalen Signatur. Diese bestätigt dem Empfänger, dass die Nachricht tatsächlich über das System verschickt wurde. Allerdings besteht laut Saatjohann keine Sicherheit darüber, ob der Absender der ist, der er vorgibt zu sein.
Um eine KIM-Mail-Adresse bei einem KIM-Fachdienst wie T-Systems registrieren zu lassen, braucht es aktuell nur einen Ausweis für eine medizinische Einrichtung, eine sogenannte SMB-C-Karte. Auf eine solche Karte haben mehrere hunderttausend Menschen im Gesundheitswesen Zugriff. Und auch auf eBay würden diese Ausweise hin und wieder verkauft, sagt Saatjohann.
Liegt eine solche Karte vor, können Angreifer eine beliebige Mail-Adresse nach einem bestimmten Muster erstellen: namederpraxis.ort@anbieter.kim.telematik. Die gewünschten Adressen werden nicht auf Plausibilität geprüft. Das Ergebnis ist Saatjohann zufolge vergleichbar mit einem versiegelten Brief, bei dem der Absendername aber falsch sein kann. Angreifer könnten die gefälschte Absender-Adresse dazu nutzen, echt erscheinende Mails zu versenden, die Schadsoftware oder Phishing-Links enthalten.
Saatjohann sieht die Verantwortung für die Lücken vorrangig bei der Gematik. Die staatseigene GmbH ist für die Spezifikation und Prüfung des KIM-Systems verantwortlich. Und die hier vorgegebenen Sicherheitsstandards habe die Agentur offenkundig nicht ausreichend überprüft, so Saatjohann.
Am 15. September übermittelte der IT-Forscher der Agentur seine Funde. Knapp zwei Monate später veröffentlichte die Gematik einen sogenannten Hotfix, der viele der aufgezeigten Sicherheitslücken schließt. Nach eigenen Angaben arbeitet die Gematik daran, die weiteren Lücken ebenfalls zu schließen. Auch T-Systems habe Saatjohann über die Lücken informiert, das Unternehmen habe bis zum heutigen Tag aber nicht reagiert.
Es werde noch dauern, bis alle Praxen die Sicherheitsupdates eingespielt haben. Vor allem aber sei es weiterhin mit geringem Aufwand möglich, eine eigene Mail-Adresse für das KIM-System zu erhalten, ohne dass diese auf Plausibilität geprüft wird. Ein Angreifer kann sich also auch weiterhin als eine behandelnde Person seiner Wahl ausgeben. „Ich sehe keine Möglichkeit, das schnell zu verbessern“, sagt Saatjohann. „In der aktuellen Architektur ist das kaum lösbar und deshalb bleibt eine Restunsicherheit.“ Um diese zu beseitigen, müsse wohl das gesamte KIM-System überholt werden.
Auf dem diesjährigen 39C3 stellt sich damit einmal mehr die Frage, wie sicher unsere Patient:innendaten sind.
Schon im vergangenen Jahr stand die Gematik massiv in der Kritik. Im Dezember 2024 hatten die Sicherheitsexpert:innen Bianca Kastl und Martin Tschirsich Schwachstellen bei der elektronischen Patientenakte (ePA) vorgestellt.
Die Agentur versprach daraufhin, die Lücken zu schließen. Doch im Mai dieses Jahres konnten die beiden Fachleute in Zusammenarbeit mit Saatjohann erneut Zugriff auf die digitalen Patientenakten erlangen. Und bis heute sind nicht alle der damals aufgezeigten Sicherheitslücken bei der ePA geschlossen.
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Die 52. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 11 neue Texte mit insgesamt 96.189 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Liebe Leser:innen,
ich hoffe, ihr hattet schöne und erholsame Weihnachtsfeiertage – ganz egal, ob ihr sie im großen Zu- und Angehörigenkreis verbracht habt, oder ungestört mit Fuchs und Hase in einer einsamen Hütte.
Der verlangtermaßen besinnlichen Weihnachtszeit folgen regelmäßig die Vorbereitungen auf einen lauteren Jahreswechsel mit Knallen und Tösen. Und im Fall vieler Team-Mitglieder auch ein Besuch auf dem Chaos Communication Congress in Hamburg, der heute beginnt.
Die Vorträge könnt ihr auch vom heimischen Sofa aus verfolgen, aber ich freue mich jedes Jahr darauf, auch physisch vor Ort zu sein. Ich bin schon gespannt, wie die vielen Helfenden auch dieses Jahr wieder ein gradliniges Kongresszentrum in einen bunten, magischen Nerdtraum verwandelt haben.
Aber es sind vor allem die Begegnungen mit alten und neuen Bekannten, wegen derer ich mich aus der Jahresend-Plätzchen-Lethargie zu lösen gewillt bin und lieber in neuen Eindrücken bade als dem bewährten Fichtennadel-Badeöl. Es kommen dort Menschen aus ganz unterschiedlichen Ecken der digitalen und analogen Welt zusammen und sie alle haben spannende Gedanken und Geschichten zu teilen. Oft gehe ich dann mit dutzenden Ideen für neue Recherchen nach Hause, die den Beginn einer langen To-do-Liste fürs nächste Jahr darstellen.
Ich bin sicher, auch dieses Mal werden am Ende mehr Ideen als Tage im neuen Jahr auf der Liste landen. Was muss sich eurer Meinung nach im nächsten Jahr unbedingt jemand anschauen? Welche Themen gehen bei uns und anderswo viel zu sehr unter? Was habt ihr euch schon immer gefragt?
Wenn ihr eure Fragen und Ideen teilen wollt, freue ich mich auf eure Rückmeldung. In den Kommentaren, per Mail oder in den nächsten Tagen bei einer Mate auf dem 39C3.
Kommt gut durch die letzten Tage des Jahres!
anna
PS: Um unsere Arbeit zu finanzieren, fehlen uns dieses Jahr noch knapp 99.000 Euro. Falls ihr uns unterstützen wollt, könnt ihr das hier tun.
Auch wenn es zwischenzeitlich keine Sitzung des DSC-Beirats gab, hat sich beim Thema Plattform-Regulierung einiges getan. Zeit für ein Update und einen Appell fürs nächste Jahr. Von Svea Windwehr –
Artikel lesen
Fast Tausend Texte, 47 Mal Donald Trump und 18 Grünpflanzen: In unserem traditionellen Jahresrückblick in Zahlen geht es um die ganz harten Fakten, die nicht immer so ganz ernst genommen werden sollten. Von Anna Biselli –
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Die Bundesregierung will Internet-Zugangs-Anbieter verpflichten, IP-Adressen aller Nutzer für drei Monate zu speichern. Das geht aus dem Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung hervor, den das Justizministerium veröffentlicht hat. Das Gesetz betrifft auch Internet-Dienste wie E-Mails und Messenger. Von Andre Meister –
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Systemausfälle, eine unvollständige Umsetzung in Italien und den Niederlanden sowie ungeklärte Sonderregeln für Militärs und Milliardäre überschatten den Start des neuen Ein-/Ausreisesystems der EU. Nun beginnt die zweite Einführungsphase. Von Matthias Monroy –
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Fast jedes Jahr erweitert die Regierung das Ausländerzentralregister, eine der größten Datensammlungen des Bundes. Nun sollen Volltext-Dokumente in der Sammlung landen, die zur Identitätsklärung beitragen könnten – egal ob Heiratsurkunde oder Arbeitsvertrag. Außerdem will die schwarz-rote Regierung Fingerabdrücke länger speichern. Von Anna Biselli –
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Ein aufreibendes Jahr geht zu Ende. Was hat einzelne Redakteur*innen in den vergangenen Monaten umgetrieben? Was hat sie 2025 begeistert, bewegt und frustriert? Und was steht im kommenden Jahr für sie an? Einige Resümees aus der Redaktion. Von netzpolitik.org –
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Die USA belegen Menschen mit Sanktionen, weil sie demokratisch legitimierte Gesetze gegen Tech-Konzerne verteidigen. Das erfordert eine klare Antwort aus Europa. Es geht um die Souveränität der EU, Gesetze selbst zu gestalten, und um die Freiheit der europäischen Zivilgesellschaft. Ein Kommentar. Von Markus Reuter –
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Beim 39. Chaos Communication Congress sind auch Redakteur*innen und Autor*innen von netzpolitik.org auf der Bühne. Lest hier, wie ihr die Vorträge vor Ort oder per Stream verfolgt – und wann ihr die Redaktion persönlich vor Ort treffen könnt. Von Sebastian Meineck –
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Auch wer kein Ticket für den 39C3 bekommen hat, kann zuschauen. Das Programm auf den großen Bühnen beschäftigt sich mit allerlei Themen, von der elektronischen Patientenakte bis zu Bikesharing und dem Darknet. Unsere Streaming-Highlights des Jahresendes. Von Chris Köver –
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Der enttäuschende Verkauf der beliebten Outdoor-App Komoot Anfang 2025 verdeutlicht die Unvereinbarkeit von Tech-Kapital und echter Community. Eine Analyse der ausbeuterischen Beziehung zwischen Plattform und Nutzerschaft liefert Impulse, wie eine nachhaltige, gemeinschaftliche Routen-Plattform aussehen müsste. Von Gastbeitrag, Joshua Meissner –
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Das Digitalministerium will beim Deutschland-Stack möglichst zügig vorankommen und ist dafür offenbar zu weitgehenden Zugeständnissen bereit. Fachleute kritisieren den intransparenten Konsultationsprozess und warnen davor, dass Tech-Konzerne bei der Verwaltungsdigitalisierung noch mehr an Einfluss gewinnen. Von Esther Menhard –
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Das Digitalministerium will beim Deutschland-Stack möglichst zügig vorankommen und ist dafür offenbar zu weitgehenden Zugeständnissen bereit. Fachleute kritisieren den intransparenten Konsultationsprozess und warnen davor, dass Tech-Konzerne bei der Verwaltungsdigitalisierung noch mehr an Einfluss gewinnen.

Der Deutschland-Stack ist eines der größten Digitalisierungsvorhaben im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Auch in ihrer Modernisierungsagenda beschreibt die Bundesregierung den D-Stack als entscheidende Technologie-Plattform, um die öffentliche Verwaltung zu digitalisieren.
Ein Technologie-Stack enthält in der Regel mehrere Komponenten, um Software zu entwickeln, zu betreiben und zu warten. Dazu gehören unter anderem Werkzeuge für die Entwicklung: Programmiersprachen, Datenbanken und Schnittstellen. Laut Agenda soll der Deutschland-Stack eine einheitliche IT-Infrastruktur bereitstellen, auf der die Verwaltung zum Beispiel Basisdienste betreibt, etwa Systeme, über die Wohngeld verrechnet wird oder das Begleichen von anfallenden Gebühren.
Allerdings ist weiterhin unklar, was den Stack im Detail ausmachen soll. Fest steht bislang nur: Die Zivilgesellschaft soll bei dem Thema offenbar nicht groß mitreden. Und auch das Thema Open Source kommt allenfalls am Rande vor. Profitieren könnten davon ausgerechnet die Tech-Konzerne, auch wenn deren Angebote die Anforderungen an die digitale Souveränität kaum erfüllen können.
Dass viele Fragen noch offen sind, zeigt auch der Konsultationsprozess zum Stack, den das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) organisierte. Bei dem Beteiligungsverfahren konnten Verbände, Organisationen, Unternehmen und Privatpersonen ihre Vorschläge und Anforderungen zu bestimmten Vorhaben einreichen. Die einzelnen Stellungnahmen und Rückmeldungen sind über die Plattform openCode öffentlich einsehbar – als ganze Konsultationsbeiträge von öffentlichen IT-Dienstleistern, Nicht-Regierungs-Organisationen und privaten Herstellern oder als Anregungen zu einzelnen Fragen. So wies der Verband Green Software auf die Umweltbelastung durch Software hin und Dirk Gernhardt vom IT-Referat München fragt: Sollten konkrete Produkte und Technologien in Vergabeverfahren verbindlich gefordert werden können, „liefert der Deutschland-Stack dafür den rechtlichen Rahmen“?
Parallel zu dem Verfahren fanden geschlossene Workshops mit ausgewählten Beteiligten statt. Thilak Mahendran von der Agora Digitale Transformation kritisiert (PDF), dass das BMDS weder die Teilnehmenden noch die Ergebnisse dieser Workshops bislang transparent gemacht hat. „Dies widerspricht dem Anspruch eines offenen Verfahrens.“ Auch habe das Ministerium die Zivilgesellschaft nicht aktiv in den Beteiligungsprozess einbezogen, so Mahendran gegenüber netzpolitik.org. Über Wochen habe das Stichwort „Zivilgesellschaft“ auf der Website zum D-Stack gefehlt.
Neben Mahendran war auch die ehemalige Bundestagsabgeordnete und Digitalaktivistin Anke Domscheit-Berg zu einem Workshop zum Thema Open Source eingeladen, den die Open Source Business Alliance (OSBA) auf eigene Initiative am 5. Dezember in den Räumlichkeiten des BMDS veranstaltete. Unter den Teilnehmenden waren Open-Source-Unternehmer*innen sowie Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft, von Open-Source-Stiftungen, aus der Politik und von Behörden sowie zwei Vertreter*innen aus dem Digitalministerium.
Allerdings scheint das Ministerium diesem Workshop nicht allzu große Bedeutung beizumessen. Auf einer Konferenz des Hasso-Plattner-Instituts Anfang Dezember habe Staatssekretär Markus Richter davon gesprochen, dass der Beteiligungsprozess zum Deutschland-Stack abgeschlossen sei, erinnert sich Anke Domscheit-Berg gegenüber netzpolitik.org. „Da hatte der Workshop der OSBA noch gar nicht stattgefunden.“
Außerdem ist weiterhin offen, welche Dienste und Cloud-Angebote in den Stack aufgenommen werden und welche nicht. Dafür brauche es klare Vorgaben, einschließlich roter Linien, de Mindeststandards definieren müssen, so Domscheit-Berg. Bislang seien die vorgegebenen Kriterien aber nicht nur schwammig, unambitioniert und teils sogar kontraproduktiv für das Ziel digitaler Unabhängigkeit, sondern außerdem auch noch unverbindlich formuliert: „Durch das Fehlen einer Bewertung entlang der Kriterien ist kein Ausschluss vom Tech-Stack gegeben“, heißt es im entsprechenden Dokument.
Der überschaubare Kriterien-Katalog soll demnach nur einen Eindruck darüber vermitteln, ob und inwiefern die fragliche Technologie für den Stack etwa digital souverän, interoperabel und vertrauenswürdig ist.
Ob eine Software oder Cloud-Lösung digital souverän ist, lässt sich laut Katalog entlang von sechs Stufen kategorisieren. Die Mindestestufe 0 erfüllt ein Angebot nur dann, wenn es Nutzenden ermöglicht, „mit überschaubarem Aufwand“ zu einer „vergleichbaren Alternative“ zu wechseln. Können die Nutzenden Einfluss darauf nehmen, wo Daten gespeichert werden, sei die Lösung zu 20 Prozent digital souverän (Stufe 1). Erlaubt das Angebot es darüber hinaus, Einfluss „auf den Anbieter oder zur aktiven Teilnahme an der Community“ zu nehmen, sei sie zu 40 Prozent digital souverän. Die höchste Stufe 5 erreicht eine Lösung, wenn sie „die Möglichkeiten zum vollumfänglichen Einfluss“ beinhaltet. Der Kriterien-Katalog schweigt sich darüber aus, worin diese Möglichkeiten bestehen.
Ohne eine klare Zielvorstellung davon, was digitale Souveränität „im Kontext des Deutschland-Stacks konkret bedeutet“, könne das Kriterium jedoch nicht „zweckdienlich“ umgesetzt werden, hält eco, der Verband für Internetwirtschaft, in seiner Stellungnahme zum Deutschland-Stack (PDF) fest. Dabei sei grundsätzlich fraglich, ob digitale Souveränität den anderen Kriterien gleichgestellt sein sollte.
Die öffentliche Vergabe an sogenannte Hyperscaler, die große Rechenzentren und eine flexible Skalierung etwa von Cloud-Diensten anbieten. reguliert der Katalog nicht. Dabei wird digitale Souveränität in der Regel auch als technologische Unabhängigkeit von Big Tech verstanden. Ebensowenig räumt Stack offener Software verbindlich Vorrang ein, wie es etwa das E-Government-Gesetz des Bundes (EGovG) tut.
Das EGovG regelt die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Digitalisierung der Bundesverwaltung. Dort heißt es konkret: „Die Behörden des Bundes sollen offene Standards nutzen und bei neu anzuschaffender Software Open-Source-Software vorrangig vor solcher Software beschaffen, deren Quellcode nicht öffentlich zugänglich ist oder deren Lizenz die Verwendung, Weitergabe und Veränderung einschränkt.“
Dennoch gebe es immer wieder Ausschreibungen explizit für Hyperscaler, so Domscheit-Berg. Ein Beispiel dafür sei die aktuelle Ausschreibung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie für Clouddienste von Amazon, die beim Betrieb der deutschen Forschungszentrale zum Einsatz kommen sollen. Der Deutschland-Stack müsse so etwas künftig verhindern. Andernfalls riskiere man, dass sich Konzerne wie Microsoft, Amazon und Google im Stack fest einrichten und sich so die technologische Abhängigkeit von ihnen verfestigt. „Wenn man den Deutschland-Stack abschalten kann, zwingt man die öffentliche Verwaltung in die Knie“, warnt Domscheit-Berg.
Das Digitalministerium will die Angebote der Tech-Konzerne für den Deutschland-Stack aber offenbar nutzen. Heiko Hartenstein, Referent und Leiter Architekturmanagement Dienstekonsolidierung im Digitalministerium, räumt dem Kriterium der Marktrelevanz klar Vorrang ein. Das Ministerium verfolge das Ziel, „möglichst schnell und einfach digitale Angebote zu schaffen“. Dabei gehe es darum, „das abzuholen, was schnell verfügbar ist“, so Hartenstein beim Workshop der OSBA. Gerade Hyperscaler könnten hier punkten.
Das Digitalministerium will nun bis Mitte Februar die Ergebnisse der Konsultation und der Workshops auswerten und das Konzept des Deutschland-Stacks überarbeiten. Spätestens dann wird sich wohl zeigen, ob sich das Ministerium die Kritikpunkte aus dem Workshop zu Open Source zu Herzen nimmt oder nicht.
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Der enttäuschende Verkauf der beliebten Outdoor-App Komoot Anfang 2025 verdeutlicht die Unvereinbarkeit von Tech-Kapital und echter Community. Eine Analyse der ausbeuterischen Beziehung zwischen Plattform und Nutzerschaft liefert Impulse, wie eine nachhaltige, gemeinschaftliche Routen-Plattform aussehen müsste.

Dieser Artikel erschien zuerst in längerer Form und auf Englisch bei BIKEPACKING.com
Der Verkauf der beliebten Outdoor-App Komoot im März diesen Jahres traf die europäische Outdoor-Community aus heiterem Himmel. Entgegen aller Beteuerungen der Komoot-Chefs wurde die Plattform, mit der sich Wanderungen oder Radausflüge planen lassen, ohne Vorwarnung an das Tech-Konglomerat Bending Spoons aus Italien übertragen. Die sechs Gründer zogen sich mit dem Löwenanteil des 300-Millionen-Euro-Deals zurück, während die etwa 150 Angestellten und 45 Millionen Nutzer:innen um ihren bisherigen Traumjob und ihre Plattform bangten.
Über 80 Prozent der Angestellten wurden umgehend entlassen, was langjährige Mitarbeitenden mir gegenüber als „grausamen Verrat“ bezeichneten. Viele hatten Abstriche beim Gehalt hingenommen und waren aufs Land oder in die Berge gezogen, um sich der Arbeit in der „Komoot-Familie“ voll hinzugeben. Geschockt, wütend und traurig mussten sie sich nun im schlechten Arbeitsmarkt nach neuer Lohnarbeit umschauen – teils auch um ihre Aufenthaltstitel zu behalten.
Die Nutzer:innen meldeten ihre Empörung in Kommentarspalten und den sozialen Medien. Denn für viele war Komoot kein austauschbares Tool, sondern ein liebgewonnenes Erinnerungsbuch für ihre besonderen Naturerlebnisse und Urlaube. Und auch sie waren maßgeblich am Erfolg von Komoot beteiligt, denn es waren ihre Planungen, GPS-Aufzeichnungen und Reisedokumentation, die die Plattform mit Leben füllten.
Komoots Erfolg basiert auf diesem Nutzerdatenschatz: aufgezeichnete Routen, Punkte, Fotos und Notizen, sogenannter User-Generated Content, werden verarbeitet und anderen Menschen auf der globalen Karte, in Collections und in persönlichen Feeds dargestellt. So werden kurze oder auch längere Abenteuer ins Grüne vereinfacht, was wieder zu mehr Nutzer:innenaktivität führt und die Plattform somit attraktiver macht.
Spätestens mit dem Verkauf offenbarte sich jedoch hinter Komoots freundlichem Grün kaltes Business As Usual. In der offiziellen Pressemeldung zu dem Verkauf beschreibt Ex-CEO Markus Hallermann Bending Spoons als „perfekten Partner, um Komoot in die Zukunft zu führen“ – eine Zukunft, die ohne die Angestellten und der Community entschieden wurde, die die Plattform groß gemacht haben und an ihrem Fortbestand interessiert waren. Die neuen Eigner in Mailand äußerten sich „enthusiastisch über das zukünftige Wachstumspotenzial“, sprich den Ausblick auf noch größere Profite. Die Angestellten wurden in der Pressemitteilung nicht erwähnt. Der Ausverkauf offenbart die Prekarität von Angestellten und Community, wenn diese nicht die Kontrolle über ihr Unternehmen und ihre Plattform haben.

Der Fall Komoot ist jedoch weder einzigartig, noch ist er als moralisches Versagen gieriger Gesellschafter zu verstehen. Vielmehr ist er Ausdruck eines kapitalistischen Systems, das solche Verrate an der Community laufend und unweigerlich wiederholt. Die Nutzer:innen von Couchsurfing, Reddit und Twitter können ein Lied davon singen. Und ob nun Komoot, Strava, AllTrails, RideWithGPS: Alle kommerziellen Anbieter im umkämpften Markt sind gezwungen, mittels ihrer Nutzer:innen und deren Inhalten maximalen Profit zu machen.
Wie genau beuten kommerzielle Plattformen wie Komoot ihre Nutzer:innen aus? Und was können wir aus dem Fall Komoot lernen für den Aufbau nachhaltiger digitaler Plattformen, die tatsächlich langfristig für die Community funktionieren?
Komoot ist ein Paradebeispiel des perfiden Wirkprinzips geschlossener, kommerzieller Plattformen. Komoot zieht Wanderer, Radsportler:innen, und Radreisende an, indem es vorgefertigte „Inspiration“, praktische Routenempfehlungen, und Turn-by-Turn-Anweisungen in einem Google-Maps-ähnlichen Dienst vereint.
Viele mächtige Funktionen der App ließen sich kostenfrei nutzen, die Weltkarte ließ sich mit einer Einmal-Zahlungen von 30 Euro dauerhaft freischalten. Ein Abo gab es auch, es schaltete lediglich Zusatz-Features wie Wetter-Infos und 3D-Karten frei.
In einem Interview offenbarte Hallerman 2023, dass Komoots Umsatz sich zu etwa gleichen Anteilen aus Abos und Einmalzahlungen von neuen Nutzer:innen zusammensetzte, während Einnahmen durch Fremdwerbung nur einen geringen Anteil ausmachten. Somit musste Komoot ständig neue Nutzer:innen anziehen und neue Märkte erschließen, um im Geschäft zu bleiben. Wachstum ist also nicht bloß kapitalistische Ideologie, sondern finanzieller Zwang.
Entsprechend setzten die Komoot-Chefs, wie so oft bei Tech-Plattformen, den Fokus der Entwicklung darauf, die Nutzer:innenzahl und das Engagement auf der Plattform zu steigern. Das hat jedoch Grenzen, irgendwann sind alle möglichen Nutzer:innen einer Zielgruppe erreicht. 2024 hatte Komoot bereits 40 Millionen registrierte Nutzer:innen, das Wachstum des Unternehmens verlangsamte sich bedrohlich. Ein weiterer Grund für die Gründer, die unnachhaltige Firma abzustoßen?
Um Engagement zu fördern und ganze Nutzer:innengruppen einzufangen, manipulieren Tech-Firmen besonders gern das menschliche Bedürfnis, Teil einer Gemeinschaft zu sein und ihr beizutragen. So auch bei Komoot. Aber wenn wir etwas zu einer „Community“ oder besser gesagt einem Kundenstamm wie auf Komoot beisteuern, leisten wir vor allem auch unbezahlte Arbeit für das Wachstum der Plattform. Ein Mitbestimmungsrecht darüber, wie die Plattform funktioniert, haben wir nicht. Nutzer:innen zahlen sogar für das Vergnügen. Daran verdienen, das tun andere.
Das und der Ausverkauf von Komoot verdeutlichen unmissverständlich, dass eine solche „Community“ mehr Schein als Sein ist. Diese ausbeuterische Beziehung zwischen Nutzer:innen und Plattform ähnelt der Beziehung zwischen Arbeitskräften und Kapital, in der Bosse private Profite erwirtschaften, indem sie enormen Mehrwert von Arbeiter:innen abschöpfen.
Eine echte Community kann als Gruppe verstanden werden, die durch ein Commons verbunden ist, ein gemeinsames materielles oder immaterielles Gut. Bei Wanderern, Radsportlern, und Radreisenden stellen geteilte Strecken, bemerkenswerte Landmarken, Fotos und Ortswissen ein wichtiges Commons dar. Sie sind Grundlage für neue Unternehmungen und Veranstaltungen, die Menschen zusammenbringen, menschliche Beziehungen gedeihen lassen und zum Beitragen motivieren.
Plattformen wie Komoot stellen aber kein Commons dar, da keine gemeinschaftliche Kontrolle über die Plattform besteht. Kein Commons, keine echte Community. Kapital eignet sich das produktive Commons an und macht das gemeinschaftliche Gut zu privatem Profit. Dieser Vorgang bei Komoot und anderen digitalen Plattformen kann als digitale Einhegung betrachtet werden.
Ob digital oder physisch, die Einhegung ist oft fatal für die Vielfalt des Commons und schwächt das gesamte Ökosystem. Geschlossene Plattformen wie Komoot verhindern, dass der kommunale Datenschatz kreativ umgenutzt wird, beispielsweise für spezialisierte Tools und Datensätze für bestimmte Sportarten und Regionen. Er kann nicht in große digitale Commons wie Wikipedia oder OpenStreetMap einfließen, wovon noch viel mehr Menschen profitieren würden.

Zwischen der erklärten Mission, leichten Zugang zur freien Natur zu ermöglichen, und der exklusiven Nutzung entstandener Daten liegt ein eklatanter Widerspruch.
Ähnlich sieht es bei Komoots Kerntechnologie aus, die hauptsächlich auf Open-Source-Projekten beruht. Ohne die Leaflet-Karte, die Graphhopper-Routing-Engine und OpenStreetMap-Daten würde Komoot nicht existieren, jedoch werden die internen Weiterentwicklungen nicht grundsätzlich veröffentlicht. So bedient sich der Tech-Sektor immer gerne am Open-Source-Commons, ohne nennenswert zurückzugeben. Projekte, deren Bestand kritisch für allerlei Infrastruktur ist, bleiben oft chronisch unterfinanziert.
Dem Ausverkauf der Komoot-Nutzerschaft wurden eigentlich schon mit der Aufnahme von Wagnis- und Bankkapital bei der Firmengründung die Weichen gestellt. Damit sind maximale Rendite und lukrativer Exit für die Investoren als oberste Ziele festgelegt. Der Zwang zur kurzfristigen Steigerung des Unternehmenswert seitens des Managements stellt einen fundamentalen Widerspruch mit langfristiger Stabilität und Nutzwert für Angestellte und Nutzer:innen dar.
Der Verlauf dieses Konflikts wird gut durch die Enshittification-Theorie nach Cory Doctorow erklärt. Sie beschreibt den Verlauf kommerzieller Plattformen von nutzerfreundlichen Anfängen bis hin zum Raubbau der Plattform zur Maximierung von Profit und Unternehmenswert.
In der Anfangsphase hatten es Komoot-Nutzer:innen verhältnismäßig gut. Eine erschwingliche Einmalzahlung für ein Kartenpaket, subventioniert durch ihre Daten, schaltete nützliche Funktionen dauerhaft frei. Die Leidenschaft der Angestellten für die Mission hinderte die Bosse daran, Features durchzusetzen, die die Nutzererfahrung sehr beeinträchtigen würden. Es gab zwar Ausnahmen wie die Flutung von Suchergebnissen mit zehntausenden KI-generierten Routen fragwürdiger Qualität. Es wurden jedoch keine Nutzerdaten verkauft und die Werbung im Feed war moderat.
Mit der Entlassung der meisten Angestellten fällt diese Gegenmacht weg. Die neuen Eigner können die Plattform auf pures Rent-Seeking ausrichten – die direkte Ausbeutung der gefangenen Nutzer:innen. Eine implizite Übereinkunft zwischen Plattform und Nutzer:innen wird zunehmend zugunsten der Eigner verändert, während sich die Nutzererfahrung auf der Plattform immer weiter verschlechtert.
Komoot ist im Zuge der Enshittification wie schon die Bending-Spoons-Zukäufe WeTransfer und Evernote. Kern-Features wie die Integration mit Garmin- und Wahoo-Navigationsgeräten sind für Neukunden nun hinter einer Bezahlschranke. Überall in der App und auf der Webseite wird die kostenfreie Nutzung mit „kreativer“ Reibung verschlechtert, wie es schon bei WeTransfer geübt wurde. Komoot-Nutzer:innen werden zu teureren wöchentlichen Abos getrieben. Das überfällige UI-Facelift, das in den letzten Monaten ausgerollt wurde, kann den Abbau nicht kaschieren.
Für viele Nutzer:innen dürfte der Abbau noch nicht zu belastend sein. Aber der Zwang zur Rendite bleibt und die Endphase, in der die Plattform bis auf den letzten Cent ausgequetscht wird, steht wohl noch bevor. Bei Evernote stieg der Preis nach der Übernahme schrittweise fast auf das Doppelte. Mehr gesponsorte Inhalte und Werbung im Produkt sind bewährte Mittel, um mehr Gewinn zulasten der Nutzererfahrung zu erwirtschaften. KI-generierte Inhalte – die weitere Entfremdung von anderen Menschen und der Natur liegen auf der Hand.
Im Endstadium der Enshittfication versuchen das Unternehmen, die Nutzer:innen so lange wie möglich am Abwandern zu hindern, um ihren Profit zu maximieren. Soziale Medien nutzen dafür Netzwerkeffekte, die bei Komoot aber weniger stark ausgeprägt sind. Stattdessen hält Komoot die persönlichen, teils umfangreichen Planungen und Dokumentationen von Reisen effektiv zurück. Ein nativer Batch-Datenexport wurde nach der Übernahme entfernt. Der Datenexport nach DSGVO ist praktisch unbrauchbar, da nicht im menschenlesbaren Format. Nutzer:innen müssen sich mit Export-Tools aus der Community behelfen, um ihre Daten aus den Klauen der Plattform zu retten.

Komoot ist kein Einzelfall, sondern eine erneute Mahnung, dass geschlossene Plattformen unter der Kontrolle weniger Bosse langfristig nicht für echte Gemeinschaften funktionieren. Denn Unternehmen hegen ein, beuten aus und verkaufen die Community, trotz bester Absichten von Angestellten und möglicherweise manchen Eignern. Von der nächsten kommerziellen Routen-Plattform, die Komoot den Rang ablaufen will, ist nichts anderes zu erwarten. Tech-Kapital hat in unseren Gemeinschaften nichts zu suchen.
Stattdessen benötigen wir quelloffene, unkommerzielle Routen-Plattformen. Echte Community-Plattformen müssen sich der Profitlogik entziehen und vollständig unter der Kontrolle der Betreiber:innen, Entwickler:innen und Nutzer:innen stehen, damit ein Ausverkauf niemals möglich ist und die Plattform langfristig und nachhaltig gedeihen kann. Das Fediverse mit Mastodon, Matrix, Pixelfed und Co. macht es vor: ein wachsendes Ökosystem offener Protokolle und verteilter Diensten, das sich der Einhegung durch das Tech-Kapital widersetzt. Die dezentralisierte Routen-Plattform Wanderer.to ist ein Vorreiter in diesem Sinne, zwar noch unausgereift, aber Komoot wurde auch nicht an einem Tag gebaut. Wir brauchen diverse offene Werkzeuge und Plattformen für viele Nischen, die zusammen durch Föderation und Interoperabilität aufblühen.
Der Kampf um die Datenhoheit und unsere Plattformen ist freilich nicht wichtiger als andere Kämpfe wie gegen die Klimakatastrophe und weitere Krisen. Aber wie Cory Doctorow auch schreibt: „Freie, faire, offene Technologie ist notwendig, um diese anderen Kämpfe zu gewinnen. Den Kampf für bessere Technologie zu gewinnen wird nicht diese anderen Probleme lösen, aber den Kampf für bessere Technologie zu verlieren löscht jede Hoffnung aus, diese wichtigeren Kämpfe zu gewinnen.“
Als erfahrener Radreisender schreibt Joshua Meissner unter anderem für BIKEPACKING.com. Seine Recherchen, Profile und Essays begleitet er mit seiner Fotografie. Er studiert Mensch-Technik-Interaktion im Master Human Factors an der TU Berlin. Erreichbar ist Josh unter hello@joshuameissner.de.
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Auch wer kein Ticket für den 39C3 bekommen hat, kann zuschauen. Das Programm auf den großen Bühnen beschäftigt sich mit allerlei Themen, von der elektronischen Patientenakte bis zu Bikesharing und dem Darknet. Unsere Streaming-Highlights des Jahresendes.

Die Tickets für den Chaos Communication Congress sind auch dieses Jahr wieder ausverkauft. Das Programm auf den drei Hauptbühnen könnt ihr aber auch von zu Hause verfolgen. Unsere Favoriten für ein ausgewogenes Unterhaltungsprogramm zwischen den Jahren haben wir hier für euch zusammengestellt.
Wie immer gilt: Diese Sammlung ist garantiert unvollständig, denn selbst auf den Hauptbühnen findet schon mehr statt, als wir in diesem Überblick unterbringen konnten. Wir empfehlen daher, diese Auswahl mit einem Blick ins Gesamtprogramm zu ergänzen.
Auch Menschen aus unserer Redaktion werden wieder auf der Bühne stehen, podcasten und über ihre Recherchen aus dem vergangenen Jahr sprechen. Eine Übersicht über die netzpolitik.org-Talks haben wir an anderer Stelle für euch zusammengestellt.
Los geht es mit einem Aufreger-Thema: Den derzeitigen Versuchen, im Namen des Jugendschutzes das Netz zu regulieren – von der Chatkontrolle bis zu verpflichtenden Altersüberprüfungen. Kate Sim arbeitet seit Jahren zum Thema, zuletzt etwa im Safety-Team von Google, und verspricht in ihrem Vortrag „Not an Impasse: Child Safety, Privacy, and Healing Together“ Lösungen vorzustellen, die nicht das Wohl von Kindern gegen die Rechte von Erwachsenen ausspielen.
Die Omnibus-Gesetze der EU laden nicht nur zur vielen, wirklich vielen lustigen Wortspielen ein. Sie bergen auch große Gefahren für digitale Grundrechte. Der Vortrag „Throwing your rights under the Omnibus“ von Thomas Lohninger und Ralf Bendrath erklärt, welche Auswirkungen das Gesetzespaket mit dem euphemistischen Namen „Digital Simplification Package“ haben würde – und verspricht doch einen hoffnungsvollen Ausblick.
Neurowissenschaftlerin Elke Smith erforscht an der Universität Köln, was sich bei Glücksspiel im Gehirn abspielt und wie sich die Branche das zunutze macht. Im Talk „Neuroexploitation by Design“ spricht sie über die offenen und verdeckten Mechanismen, die Glücksspielprodukte einsetzen, um das Belohnungssystem zu aktivieren und welche Folgen das haben kann.
Es gibt bekanntlich fast nichts, was sich mit „KI“ nicht vermeintlich lösen ließe, etwa die Krise des deutschen Gesundheitssystems. Manuel Hofmann von der Deutschen Aidshilfe knöpft sich in seinem Talk die techgläubigen Heilserzählungen vor und fragt, was es statt Selbstoptimierung und „KI-Assistent*innen“ tatsächlich bräuchte.
Eine „wilde, unterhaltsame Fahrt“ verspricht Katika Kühnreich zu einem erstmal eher bedrückenden Thema: die Zusammenhänge zwischen der Macht von Tech-Bros und Faschismus. Auch eine Betrachtung von Widerstandsmöglichkeiten soll in ihrem Talk „All Sorted by Machines of Loving Grace?“ nicht fehlen.
Christoph Saatjohann ist Professor für eingebettete und medizinische IT-Sicherheit und hat vor zwei Jahren mehrere Schwachstellen im Kommunikationsdienst im Medizinwesen KIM aufgedeckt. Nun schaut er wieder auf die Telematikinfrastruktur und offenbar ist er fündig geworden. Die Fundstücke zeigt er in „KIM 1.5: Noch mehr Kaos In der Medizinischen Telematikinfrastruktur (TI)“.
Christiane Mudra inszeniert ihre Arbeiten sonst in Form von „investigativem Theater“. Ihr Vortrag „freiheit.exe – Utopien als Malware“ basiert auf den Recherchen für ihr gleichnamiges Stück und dreht sich um die ideologischen Wurzeln der Tech-Oligarchen – von Transhumanismus und Neo-Eugenik bis zur „Akzeleration als politische Strategie“.
Ministerien und Behörden lassen ihre offiziellen Domains manchmal einfach auslaufen, so dass sich andere diese sichern können. Was soll da schon schief gehen? Was schief gegangen ist, darüber spricht der Sicherheitsforscher Tim Philipp Schäfers von Mint Secure im Talk „Was alte Behördendomains verraten“.
Juchu, Abgeordnete packen aus. Anna Kassautzki saß für die SPD von 2021 bis 2025 im Bundestag – auch im Digitalausschuss. Ihre Mitarbeiterin Rahel Becker ebenso. Jetzt erklären sie im Talk „Power Cycles statt Burnout“, wie politische Einflussnahme auf Entscheidungen wirklich funktioniert und was zivilgesellschaftliche Organisationen daraus ableiten sollten, wenn sie ihre Energie effizient einsetzen wollen.
Hoffnung auf die Kraft sozialer Bewegungen verspricht auch der Beitrag von Mustafa Mahmoud Yousif. Im Vortrag „Hatupangwingwi: The story how Kenyans fought back against intrusive digital identity systems“ geht es um die kolonialen Wurzeln von Identifikationssystemen und den Widerstand der kenianischen Zivilgesellschaft gegen die Datenbank Huduma Namba.
In „Current Drone Wars“ beleuchtet Leonard Veränderungen in der Kriegsführung mit Drohnen: von den großen und schwerfälligen Apparaten des US-amerikanischen „War on Terror“ zu den billig produzierten Massendrohnen des Ukraine-Krieges. Mittlerweile mischen auch deutsche Rüstungskonzerne und -Start-ups im Geschäft mit dem Kriegsgerät der Zukunft mit.
Jürgen Bering und Simone Ruf von der Gesellschaft für Freiheitsrechte berichten davon, wie die NGO für strategische Klagen seit ihrer Gründung vors Bundesverfassungsgericht und andere Rechtsprechungsorgane zieht. In „Hacking Karlsruhe – 10 years later“ geht es um Erfolge, Fehlentscheidungen und was sich daraus lernen lässt.
Künstlerin Esther Mwema spricht über Unterseekabel und andere Internetinfrastrukturen in Afrika als Schauplätze des digitalen Kolonialismus: „Undersea Cables in Africa: New Frontiers of Digital Colonialism“.
Forschende haben sich Bikesharing-Daten vorgenommen und zwar jede Menge davon. Im Talk „What Makes Bike-Sharing Work?“ fragen sie: Was können wir aus 43 Millionen Kilometern an Bikesharing-Fahrten aus 268 europäischen Städten für eine zeitgemäße Mobilitätsplanung lernen?
Hannah Vos und Vivian Kube arbeiten als Anwältinnen für die Transparenzplattform FragDenStaat. In ihrem Beitrag sezieren sie, wie „Neutralität“ zu einem neuen Kampfbegriff wurde. „Zivilcourage kann nicht neutral sein – und soll es auch nicht“, sagen die beiden und erklären, warum das so ist.
Im letzten Jahr sorgten die von Bianca Kastl und Martin Tschirsich vorgestellten Sicherheitsprobleme bei der elektronischen Patientenakte für Aufregung. Ein Jahr später blickt Bianca zurück, was seit dem Talk und der tatsächlichen Einführung der ePA für alle passiert ist – in „Schlechte Karten – IT-Sicherheit im Jahr null der ePA für alle“.
Informatiker Rainer Rehak spricht über die automatisierten Zielsysteme des israelischen Militärs und warum IT-Fachleute dazu nicht schweigen sollten. Es geht unter anderem um das Völkerrecht, sogenannte Künstliche Intelligenz und die Verantwortung großer Tech-Konzerne: „Programmierte Kriegsverbrechen? Über KI-Systeme im Kriegseinsatz in Gaza und warum IT-Fachleute sich dazu äußern müssen“.
Laufen auf .onion-Seiten im Darknet vor allem kriminelle Aktivitäten oder findet sich da die letzte Bastion der Freiheit? Selbst in wissenschaftlichen Papern widersprechen sich die Zahlen extrem. Tobias Höller leuchtet aus, wie das zu interpretieren ist.
„Ein analoger Überwachungskrimi mit sauberen Städten, lichtscheuen Elementen, queerem Aktivismus, und kollektiver Selbstorganisation“ verspricht Simon Schultz in seinem Vortrag zu einem Überwachungssystem in Hamburger Toiletten aus den 1980ern, das vor allem auf queere Menschen abzielte.
Wir haben immer wieder über Linas Recherchen zur CUII, der Clearingstelle Urheberrecht im Internet, berichtet. Auf dem Congress stellt sie gemeinsam mit Elias Zeidler alias Northernside im Talk „Wie Konzerne heimlich Webseiten in Deutschland sperren“ die neuesten Entwicklungen in der Causa CUII vor.
Was hat KI mit Gaskraftwerken zu tun? Das erklären Friederike Karla Hildebrandt von Bits und Bäume und Moritz von urgewald in ihrem Vortrag „Fossile Industrie liebt KI“.
Mit Hilfe der YouTube-Datenspende von 1.064 Dänen haben Forschende untersucht, wie die Plattform ihre Besuche beeinflusst. Es geht aber auch um europäische Regeln, die Wissenschaftler:innen mehr Zugang zu Daten geben sollten, aber in der Praxis noch nicht ausreichend funktionieren: „We, the EU, and 1064 Danes decided to look into YouTube“.
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Beim 39. Chaos Communication Congress sind auch Redakteur*innen und Autor*innen von netzpolitik.org auf der Bühne. Lest hier, wie ihr die Vorträge vor Ort oder per Stream verfolgt – und wann ihr die Redaktion persönlich vor Ort treffen könnt.

Unter dem Motto „Power Cycles“ startet am Samstag, 27. Dezember, der aktuelle Chaos Communications Congress. Mit dabei im vielfältigen Programm sind auch Menschen von netzpolitik.org. Lasst euch auf den aktuellen Stand unserer Recherchen bringen, blickt mit uns hinter Kulissen unserer Arbeit und trefft uns, wenn ihr mögt, persönlich!
Und selbst wenn ihr nicht in Hamburg dabei sein könnt: Die meisten Vorträge gibt es auch als Livestream und wenig später als Aufzeichnung unter media.ccc.de.
📌 Samstag, 27.12., 17:15 Uhr, Ground
🔗 Handy weg bis zur Ausreise – Wie Cellebrite ins Ausländeramt kam
Seit Jahren schreibt netzpolitik.org-Redakteurin Chris Köver über Migrationskontrolle und deren Auswüchse. Im Jahr 2024 fingen deutsche Ausländerbehörden damit an, Smartphones von ausreisepflichtigen Menschen nicht nur zu durchsuchen, sondern gleich ganz zu behalten. In ihrem Vortrag schildert Chris die Konsequenzen für Betroffene und zeigt Beispiele für Widerstand.
📌 Samstag, 27.12., 20:30 Uhr, One
🔗 Chatkontrolle – Ctrl + Alt + Delete
Wohl kaum jemand in Deutschland hat so viele Artikel über die Chatkontrolle geschrieben wie netzpolitik.org-Redakteur Markus Reuter. Gemeinsam mit CCC-Sprecherin Khaleesi berichtet er von den überraschenden Wendungen im langen Kampf gegen die Chatkontrolle. Wieso sind jetzt sogar Unions-Fraktionsvorsitzender Jens Spahn (CDU) und der Chef der deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, gegen diese Form der Überwachung? Und was passiert als nächstes in der EU?
📌 Sonntag, 28.12., 12:30 Uhr, Sendezentrum Bühne (Saal X 07)
🔗 netzpolitik.org Off/On: Off The Record live
Seid live dabei, wenn die neueste Folge unseres Podcasts Off/On entsteht, und zwar mit einer Ausgabe „Off The Record“, in der wir euch hinter die Kulissen von netzpolitik.org mitnehmen, um unsere Arbeit transparent zu machen. Als Host wird euch netzpolitik.org-Redakteur Ingo Dachwitz begrüßen. Eingeladen sind Chris Köver, Esther Menhard und Markus Reuter. Sie sprechen über ihre Recherchen des Jahres: Wie sind sie vorgegangen, welche Hindernisse mussten sie überwinden? Und: Was haben die Recherchen ausgelöst?
📌 Sonntag, 28.12., 13:30 Uhr, vor dem Sendezentrum (Saal X 07)
Gut möglich, dass ihr während eurer Touren auf dem Congress ohnehin Mitgliedern der Redaktion begegnet. An diesem festen Termin habt ihr aber auf jeden Fall Gelegenheit, einige Redakteur*innen persönlich kennenzulernen oder wiederzusehen. Direkt im Anschluss zur Podcast-Aufzeichnung. Kommt gerne auf ein Getränk vorbei und schnappt euch ein paar Sticker!
📌 Montag, 29.12., 20:30 Uhr, One
🔗 Blackbox Palantir
Auch für deutsche Polizeibehörden analysiert Software des US-Unternehmens Palantir Daten. Dabei sind deren genaue Funktionsweisen unklar, die Nähe zur inzwischen rechtsradikalen US-Regierung verschärft die Bedenken. Mit Verfassungsbeschwerden engagieren sich Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Chaos Computer Club (CCC) gegen den Einsatz von Palantir, unter anderem in Hessen, Hamburg und Bayern. Den Stand der Dinge schildern netzpolitik.org-Redakteurin und CCC-Sprecherin Constanze Kurz sowie GFF-Juristin Franziska Görlitz.
📌 Dienstag, 30.12., 14:45 Uhr, One
🔗 Security Nightmares
Gegen Ende des Congress ist es wieder Zeit für Facepalm-Momente: Es geht um Albträume der IT-Sicherheit, um „fieseste Angriffe“ und „teuerste Fehler“. Auch ein Ausblick auf das Jahr 2026 wird gewagt, präsentiert von Constanze Kurz und Ron.
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Die USA belegen Menschen mit Sanktionen, weil sie demokratisch legitimierte Gesetze gegen Tech-Konzerne verteidigen. Das erfordert eine klare Antwort aus Europa. Es geht um die Souveränität der EU, Gesetze selbst zu gestalten, und um die Freiheit der europäischen Zivilgesellschaft. Ein Kommentar.

Am Dienstagabend hat das US-Außenministerium Visa-Sanktionen gegen Mitglieder eines angeblichen „globalen Zensur-industriellen Komplexes“ verhängt. Der bekannteste Sanktionierte ist der frühere EU-Kommissar Thierry Breton, der eine tragende Rolle für den europäischen Digital Services Act (DSA) spielte.
Daneben gehören die Gründerin des britischen Global Disinformation Index (GDI), Clare Melford, und der Gründer des in Großbritannien und USA tätigen Center for Countering Digital Hate (CCDH), Imran Ahmed, zu denjenigen, die künftig Einreisebeschränkungen für die USA unterliegen. In Deutschland haben die USA mit Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon die Geschäftsführerinnen von HateAid sanktioniert.
Die Sanktionen erfüllen zwei Funktionen: Sind sind einerseits ein feindlicher Akt gegen die europäische Gesetzgebung des Digital Services Acts, dem auch die US-amerikanischen Tech-Konzerne unterworfen sind. Die EU-Verordnung enthält vor allem für sehr große Tech-Konzerne zahlreiche Pflichten: etwa zu Moderation und Transparenz, zur Löschung illegaler Inhalte oder dem Schutz von Nutzer:innen vor manipulativem Design.
Diese Gesetzgebung versuchen die mittlerweile sehr nahe an den autoritären Trump gerückten Tech-Milliardäre von Musk bis Zuckerberg schon seit Langem und nun mit verstärkter Hilfe der Trump-Regierung zu attackieren. Früher mit massiver Lobbyarbeit in Brüssel, jüngst auch mit Zoll-Drohungen und jetzt mit Sanktionen gegen zivilgesellschaftliche Organisationen, die die Umsetzung des DSA mitgestalten.
Es handelt sich bei den jetzigen Sanktionen um einen direkten Angriff auf die Souveränität Europas, selbst digitale Märkte zu regulieren und die eigenen Gesetze gegen Konzerne auch durchzusetzen. Die Sanktionen sind Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit, denn nichts anderes ist die Durchsetzung von Recht und Gesetz.
Die zweite Ebene ist die Bestrafung, Markierung und Einschüchterung politischer Gegner:innen. Die jetzt durch ihre Mitglieder sanktionierten Nichtregierungsorganisationen sind alle gegen Hassrede, illegale Inhalte und Desinformation tätig. Natürlich sind solche Organisationen denjenigen ein Dorn im Auge, deren Aufstiegs- und Machterhaltungsstrategie auf Hass, Lügen und Desinformation aufbaut. HateAid ist nicht umsonst hierzulande ein Lieblingsgegner der rechtsradikalen AfD und ihrer rechtskonservativen Steigbügelhalter.
Während US-Präsident Trump in den USA mit der New York Times die renommierteste Zeitung des Landes zum „Gegner des Volkes“ deklariert und die „Einschläferung“ des Satirikers Stephen Colbert fordert, malen er und seine Anhänger:innen das Schreckgespenst eines allmächtigen europäischen Zensurapparates an die Wand. Gleichzeitig übernehmen Trump-Getreue die US-Medienlandschaft und ein regierungsnahes global agierendes autoritäres Netzwerk von Tech-Konzernen hat sich gebildet. Die Realität ist also: Die Meinungsfreiheit ist in den USA in Gefahr – und weniger in Europa.
Bei den jetzt verhängten Einreiseverboten für die Betroffenen dürfte es nicht bleiben. Die Mitarbeitenden von HateAid wurden als „radikale Aktivisten“ klassifiziert, die ihre Organisationen als Waffe einsetzen würden. Es kann gut sein, dass die Organisationen ihre Social-Media- und sonstigen Accounts bei US-Konzernen verlieren könnten. Die Sanktionen gegen HateAid sind als Drohung gegen alle zu verstehen, die sich kritisch mit US-amerikanischen Tech-Konzernen auseinandersetzen.
Gegen das Vorgehen der US-Regierung müssen die Bundesregierung und die EU-Kommission scharf und entschieden protestieren. Es geht dabei um nicht weniger als die europäische Unabhängigkeit, selbst über die hier geltenden Gesetze zu entscheiden. Es geht darum, dass wir in der EU mit unseren 450 Millionen Einwohner:innen selbst aushandeln, welche Regeln bei uns gelten. Und dass wir uns nicht alles von den Konzernen der Oligarchen gefallen lassen, auch wenn diese bei Donald Trump auf dem Schoß sitzen.
Neben der europäischen Souveränität geht es auch darum, hier tätige zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer Handlungsfreiheit zu schützen. Sonst müssen in Zukunft alle möglichen Akteure damit rechnen, von den USA bestraft zu werden, wenn dies der autoritären Führung der USA und ihren Oligarchen nicht in den Kram passt. Es geht also um nicht weniger als um die politische und wissenschaftliche Freiheit unserer Zivilgesellschaft.
Jetzt sind also Bundeskanzler Merz und Kommissionspräsidentin von der Leyen gefragt, deutliche Worte und eine politische Antwort zu finden, damit dieser Präzedenzfall der Einschüchterung nicht unerwidert bleibt. Auch wenn heute Heiligabend ist.
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Ein aufreibendes Jahr geht zu Ende. Was hat einzelne Redakteur*innen in den vergangenen Monaten umgetrieben? Was hat sie 2025 begeistert, bewegt und frustriert? Und was steht im kommenden Jahr für sie an? Einige Resümees aus der Redaktion.

Es wäre allzu leicht, auf das zurückliegende Jahr zu blicken und ein negatives Fazit zu ziehen. In den USA regiert ein rechtsradikaler Präsident – im engen Schulterschluss mit Tech-Milliardären. Die EU-Kommission will Verbraucher*innenrechte aussetzen, um den KI-Hype zu nähren. Und in Deutschland schleift die schwarz-rote Regierung die Grund- und Freiheitsrechte – und die Brandmauer gleich mit.
Gleichzeitig aber ist die (digitale) Zivilgesellschaft laut und deutlich vernehmbar – obwohl es zahlreiche Versuche gibt, sie einzuschüchtern und ihr den Geldhahn abzudrehen. Und sie führt dabei nicht nur Abwehrkämpfe, in denen sie Errungenschaften erfolgreich verteidigt. Sondern sie schafft weiterhin Räume, in denen viele Menschen zusammen für eine bessere und solidarische Zukunft kämpfen.
Auch wir haben uns am Anfang des Jahres gefragt, wie sich das verschärfte politische Klima auf unsere Arbeit auswirken wird. Einige Mitglieder unserer Redaktion ziehen im Folgenden ihr ganz persönliches Fazit. Welche Themen haben sie 2025 begeistert, bewegt und umgetrieben? Und worauf richten sie im kommenden Jahr den Blick?

Das Jahr 2025 begann mit einer vorgezogenen Bundestagswahl. Das hat nicht nur uns ganz schön auf Trab gehalten. Wir haben Wahlprogramme seziert, geschaut, wie die großen Plattformen mit politischer Werbung umgehen, und die Zivilgesellschaft gefragt, was sie sich eigentlich für die nächste Legislatur wünscht.
Gerade diese Zivilgesellschaft geriet aber schon vor dem Wahlsieg der Union in den Fokus. Denn gleichzeitig zum Wahlkampf entstand eine unsägliche Neutralitätsdebatte. Als eine ihrer letzten Amtshandlungen in der Noch-Opposition griff die Unionsfraktion mit 551 Fragen eine ganze Latte von Organisationen an, die ihr offenbar nicht neutral genug waren. Ein Vorbote auf das, was uns erwartet hat: Kritische Stimmen sind offenbar unerwünscht. Der Kurs stand klar auf Law-and-Order-Politik.
Seit sich eine schwarz-rote Koalition gefunden hat, ist die Schlagzahl von Gesetzesverschärfungen hoch. Nicht nur in der Bundespolitik, wo viele Vorschläge zu einem neuen Sicherheitspaket oder zur Vorratsdatenspeicherung in den Startlöchern stehen. Auch die Länder ebnen den Weg für Software von Palantir und mehr biometrische Überwachung.
Mich persönlich beschäftigen neben den „großen“ Ausweitungen von Polizeibefugnissen die Bereiche, wo Gesetze ohne öffentlichen Aufschrei verschärft und entmenschlicht werden: etwa beim Umgang mit psychisch erkrankten Personen oder Asylsuchenden.
Das werde ich auch im kommenden Jahr eng begleiten. Denn immer noch wird über mehr Datenaustausch von Menschen geredet, die wegen einer Erkrankung als vermeintliches Risiko markiert werden. Und 2026 steht auch die deutsche Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bevor, mit dem das Asylrecht in der EU wie nie verschärft wird. Einen Entwurf zum erneuten Ausbau des Ausländerzentralregisters hat die Bundesregierung kurz vor Jahres Ende auch noch auf den Tisch gelegt. Doch das ist sicher noch nicht das Ende.
Bevor es allzu düster wird, ein letzter Blick auf etwas, das mich begeistert hat: das zivilgesellschaftliche Engagement gegen eine verpflichtende Chatkontrolle, das am Ende zu einem Teilerfolg geführt hat. Es war beeindruckend zu sehen, was passieren kann, wenn so viele mit ganz unterschiedlichen Hintergründen gemeinsam für etwas kämpfen. Das sollte man sich als Beispiel merken, wenn mal wieder alles aussichtslos erscheint.
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Das netzpolitische Jahr habe ich als verstörend finster erlebt. Während in anderen Jahren noch die Freiheit von Memes das große Ding war, steht 2025 für mich im Zeichen von grassierendem Faschismus, sowohl in den USA als auch in Deutschland. Oft unter Einsatz von Überwachungstechnologie entsteht eine zunehmend menschenfeindliche Umwelt, in der sich Hass und Ausgrenzung ausbreiten. Das ist nicht die von Fortschritt und Verständigung geprägte Zukunft, die ich vor Augen hatte, während ich als kleiner Junge Star Trek geschaut habe.
Exemplarisch für das finstere Jahr finde ich die Nachricht von Schergen der rechtsradikalen US-Abschiebebehörde ICE, die zur Umsetzung der von Donald Trump ausgerufenen Massendeportationen Menschen auf offener Straße zu biometrischer Gesichtserkennung nötigen. Das und mehr landet täglich in unseren Newsticker.
Was wir als Redaktion entgegenhalten, ist Aufklärung, die bestenfalls Leser*innen aktiviert und Änderungen anstößt. Keine Recherche hat mich 2025 so lange beschäftigt wie die Databroker Files. Zum zweiten Jahr in Folge haben unter anderem mein Kollege Ingo und ich immer tiefer gegraben. Wir haben herausgearbeitet, wie tiefgehend die Massenüberwachung durch die Werbeindustrie die Privatsphäre von uns allen bedroht – und obendrein die nationale Sicherheit. Eines kann ich versprechen: 2026 kommt noch mehr.
Im nächsten Jahr werde ich außerdem weiter mit meiner Kollegin Chris verfolgen, wie Alterskontrollen im Namen des Jugendschutzes die Grundrechte von Jugendlichen und Erwachsenen einschränken. Während Regierungen in Großbritannien, Australien und den USA zunehmend strengere Altersschranken hochziehen, will sich zumindest die Bundesregierung ein Jahr Zeit nehmen, um eine Expert*innen-Kommission auf Antwortsuche zu schicken. Ich bin überzeugt: Statt massenhafter Kontrollen sollte Jugendschutz sichere digitale Räume schaffen. Hoffentlich wird 2026 das Jahr, in dem das bei allen ankommt.

2025 war ein absolutes Databroker-Jahr. Wir haben unsere Recherchen zusammen mit Partnern wie WIRED aus den USA, LeMonde aus Frankreich und natürlich dem BR aus Bayern vorangetrieben. Das ging im Januar gleich mit einem Highlight los: Wir haben über mehr als 40.000 Apps geschrieben, die in den Handel mit unseren Werbedaten verwickelt sind. Im Februar konnten wir eine Firma aus Litauen ans Licht zerren, die im System des Datenhandels mutmaßlich eine wichtige Rolle spielt. Unsere Berichterstattung über eine von Deutschlands beliebtesten Apps, WetterOnline, führte direkt zu Konsequenzen der Aufsichtsbehörde. Im November haben wir dann die EU-Kommission in Aufregung versetzt, indem wir demonstrierten, wie sich mit Werbedaten Spitzenpersonal der EU ausspionieren lässt.
Persönlich habe ich mich sehr gefreut, dass ich an die Arbeit zu meinem Buch über digitalen Kolonialismus auch auf netzpolitik.org anknüpfen konnte, vor allem in Form von Interviews mit Aktivist*innen aus dem globalen Süden. So zum Beispiel mit der Anwältin Mercy Mutemi zur Ausbeutung von Datenarbeiter*innen, mit der Künstlerin Esther Mwema über Unterseekabel, mit der Aktivistin Nighat Dad über den Brüssel-Effekt und mit dem Menschenrechtler Christian Rumu über globale Lieferketten.
Richtig schön ist es, wenn unsere Arbeit ausgezeichnet wird. Das war dieses Jahr für die „Databroker Files“ beim European Press Prize und beim Datenschutzmedienpreis der Fall. Unser Podcast „Systemeinstellungen“ erhielt zudem eine späte Ehrung mit dem Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit. Noch viel schöner als jeder Preis: Das Verfassungsgericht hat entschieden, dass die Hausdurchsuchung bei Journalist Fabian Kienert aus unserem Podcast verfassungswidrig war!
Apropos Podcast: Eine Überraschung in 2025 war für mich unser Hintergrund-Podcast Off the Record. Wir haben nur ein paar kleine Änderungen an der Struktur vorgenommen und ein bisschen an unseren Rollen geschraubt, und schon macht der Podcast gleich noch viel mehr Spaß.
Eine Überraschung der anderen Art bescherte uns die EU-Kommission zum Jahresende: Die Datenschutzgrundverordnung soll geschliffen werden. Ansätze zur Verbesserung des Datenschutzes sucht man vergebens, stattdessen gehts nur um Deregulierung und Wirtschaftsförderung. Dass die Kommission im Bereich KI ausgerechnet Konzernen wie Meta Geschenke macht, die in diesem Jahr viele Leute mit der ungefragten Verwendung ihrer Daten für KI-Training gegen sich aufbrachten, setzt dem Ganzen die Krone auf. Die Debatte wird in 2026 weiter an Fahrt aufnehmen – wir bleiben dran.

Der seit Jahren gärende Streit um die Zusammenarbeit der Polizeien mit Palantir hat 2025 eine Wendung genommen, die mich überrascht und auch gefreut hat: Seit die Folgen von Donald Trumps zweiter Amtszeit deutlicher erkennbar sind, ist die öffentliche Debatte um den US-Tech-Konzern überaus kritisch geworden und geht nun weit über ein paar Interessierte hinaus. Mit Sicherheit werden mich Palantir und auch die automatisierte Datenanalyse weiter beschäftigen.
Vielleicht war ich übermäßig naiv, aber ich setzte Anfang des Jahres einige Hoffnungen auf den neuen Digitalminister Karsten Wildberger. Durch den hohen Digitalisierungsleidensdruck, den die Deutschen mittlerweile fast so pflegen wie ihren Unmut über die Verspätungen der Deutschen Bahn, hatte ich den Eindruck, dass die Zeit reif sein könnte für ein wirkliches Umdenken. Aber jeglicher Hoffnungsschimmer war schon nach den ersten Reden des Ministers dahin. Er singt nur das uralte Lied von der Innovationsbremse Datenschutz und hat zugleich bei Fragen der IT-Sicherheit eine auffällige Leerstelle. Zuletzt jubilierte er über die angeblichen Segnungen der „Künstlichen Intelligenz“ ohne einen Anflug von Skepsis.
Offenbar geht das anhaltende Tamtam um „Künstliche Intelligenz“ vielen technisch interessierten Menschen gehörig auf den Zeiger, mir auch. Trotzdem erscheint es mir unerhört wichtig, an der öffentlichen Diskussion um KI mitzuwirken und sich verfestigenden Bullshit nicht unwidersprochen zu lassen. Dass der riesige Ressourcenverbrauch generativer KI keine bloße Fußnote ist, sondern ein noch anschwellendes Problem, dessen Größe richtig eingeordnet werden muss, motiviert mich dazu, mich dem Thema weiter zu widmen. Mein Eindruck ist zudem, dass wir im neuen Jahr auch die informationelle Selbstbestimmung auf dem KI-Schlachtfeld werden verteidigen müssen. Denn mit der Wucht, mit der die US-Konzerne gerade allen Leuten überall KI-Anwendungen reindrücken, dürften sich auch die neuen KI-Geschäftsmodellideen zeigen.

Dieses Jahr war ich an zwei Recherchen beteiligt, die mich extrem gefesselt haben: Einmal ging es um mSpy. Eine Spionage-App, die Menschen einsetzen, um ihre Partner*innen zu überwachen – und die gerne möchte, dass netzpolitik.org für sie wirbt. Das andere Thema war die Überwachung von Bargeldströmen anhand von Geldschein-Seriennummern. Etwas, von dem ich zuvor nicht gedacht hätte, dass es das gibt.
Begeistert haben mich 2025 die Abiturientin Lina, die die Unterhaltungsindustrie vor sich hertreibt, indem sie sich gegen Netzsperren engagiert, und Thorsten Müller, der der Welt seine Stimme geschenkt hat. So wie auch die vielen Freiwilligen, die in Repair-Cafes Dinge vor dem Müll retten, oder die Digital-Lots*innen, die in Berlin dafür sorgen, dass technisch unbedarfte Menschen nicht den Anschluss an die Gesellschaft verlieren.
Schön fand ich auch, wie die Diskussion um technologische Unabhängigkeit der Debatte über freie und offene Software neuen Schwung gab. Und dass Meta erstinstanzlich dazu verurteilt wurde, mir wegen Verletzung meiner Privatsphäre 250 Euro zu zahlen. Außerdem habe ich gerne gesehen, wie der Streik der TikTok-Moderator*innen den Konzern letztlich zu weitreichenden Zugeständnissen zwang.
Extrem unangenehm fand ich, dass Hamburg KI-gestützte Verhaltenserkennung in seine Videoüberwachung aufgenommen hat, obwohl die Technologie noch lange nicht marktreif ist – und dafür auch noch Technologie von einem Konzern verwendet, der für Menschenrechtsverletzungen bekannt ist und sich außerdem erlaubt hat, KI-Systeme mit personenbezogenen, nichtanonymisierten Daten zu trainieren. Und dass zahlreiche Bundesländer diesem Vorbild gefolgt sind oder dies planen.
Hessen hat zudem dieses Jahr als erstes Bundesland (nach dem Test am Berliner Südkreuz) eine Live-Gesichtserkennung installiert. Auf der Innenministerkonferenz wurde Anfang Dezember deutlich, dass sich auch dafür eine Menge Länder interessieren, Sachsen zum Beispiel, wo außerdem Drohnen künftig Jagd auf Menschen machen sollen, die am Steuer telefonieren.
Am drastischsten anschaulich wurde der Trend zum extrem invasiven Polizeigesetz in Berlin, dem ehemals legendär freiheitlichen Bundesland, wo die Polizei künftig Videodrohnen und Verhaltensscanner einsetzen soll und in Wohnungen einbrechen darf, um Staatstrojaner zu installieren.
Im kommenden Jahr werde ich mir wohl wieder einen Haufen Polizeigesetze anschauen. Baden-Württemberg will den Einsatz von Verhaltensscannern entgrenzen, zahlreiche Bundesländer werden Live-Gesichtserkennung weiter verfolgen. Ich will das kritisch begleiten.

Wenn ich auf dieses Jahr zurückschaue, kommt es mir vor, als wären es eher zwei gewesen. Es ist einfach sehr viel passiert. Anfang des Jahres steckten mein Kollege Martin und ich mitten in den Recherchen zur Spionage-App mSpy, mit der Menschen ihre Partner*innen überwachen. Diese Recherche barg viele böse Überraschungen und wir konnten stellenweise kaum fassen, wie die Mitarbeitenden im Kundendienst die Menschen bei ihren Taten auch noch unterstützten.
Begeistert hat mich in diesem Jahr vor allem, dass ich bei der historischen Pride-Demonstration in Budapest dabei sein konnte. Eine Demo, die die ungarische Regierung mit aller Kraft verhindern wollte. Ich hatte im Vorfeld darüber geschrieben, wie die Regierung mit dem Einsatz von Gesichtserkennung Teilnehmende einschüchtern wollte. Erreicht hat sie das Gegenteil. Es wurde zur größten Pride in der ungarischen Geschichte und zur Demonstration gegen Orbáns Politik der Ausgrenzung. Mit Hunderttausenden durch die Stadt und über die Donaubrücke zu ziehen – das hat mir sehr viel Energie gegeben für alles, was danach noch kam.
Denn die Rechte von queeren und trans* Menschen werden ja nicht nur in Ungarn angegriffen. Mein Dämpfer des Jahres: dass Deutschland zwar das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet, in dieses Gesetz aber zugleich so viel Misstrauen und Ignoranz eingearbeitet hat. Aufgefallen ist das volle Ausmaß des Desasters erst dieses Jahr, als das Bundesinnenministerium eine Verordnung für die Weitergabe früherer Vornamen vorlegte, die faktisch ein Zwangsouting für trans* Personen vor Behörden bedeutet. Die Angriffe hören nicht auf.
Ähnlich ernüchternd finde ich meine Langzeitrecherchen zu Ausländerbehörden und der Identitätsfeststellung von ausreisepflichtigen Menschen. Ausländerbehörden durchsuchen seit Jahren deren Smartphones, in der Hoffnung, Geflüchtete dadurch eher abschieben zu können. Statt diese sinnlose Schikane zu beenden, verschärfte eine Bundesregierung nach der anderen das Aufenthaltsrecht weiter. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich darüber mit einer betroffenen Person sprechen konnte – eine Seltenheit.
Mein Programm fürs kommende Jahr wird entsprechend sein: weiter auf die Menschengruppen zu schauen, die die Rechtsextremen zu ihren Feindbildern machen. Asylsuchende, LGBTQI-Communities. Der Druck auf sie wird nicht abnehmen. Außerdem wird es mit Sicherheit sehr viel um Kinder und ihren Schutz gehen. Politiker*innen lieben es, über Kinderschutz zu sprechen, vor allem dann, wenn sie schlechte Regulierung für das Internet fordern. Mit meinem Kollegen Seb bleiben wir dran an Themen wie Alterskontrollen und Social-Media-Verboten.

Zu Beginn des Jahres war ich nicht sicher, ob ich am Ende ein positives Fazit ziehen kann. Zu düster waren die Aussichten angesichts einer zweiten Amtszeit von Donald Trump und einer schwarz-roten Bundesregierung, die mit markigen Ankündigungen ihre Arbeit aufnahm. Doch auch wenn sich die politische Lage und Stimmung insgesamt deutlich verschärft haben, bin ich alles andere als entmutigt. Denn die vergangenen Monate haben gezeigt, dass es sich lohnt, sich der Law-and-Order-Politik und den Anfeindungen entgegenzustellen.
Was mir allerdings zunehmend Sorge bereitet, ist die Taktung, mit der die Verschärfungen durch die Tür kommen. Gefühlt vergeht kaum ein Tag, an dem nicht in irgendeinem Gesetz ein Passus steckt, der Grund- und Freiheitsrechte einschränkt, den Tech-Konzernen mehr Beinfreiheit schenkt oder die Befugnisse von Geheimdiensten erweitert. Als Frühwarnsystem müssen wir hier auch im kommenden Jahr auf der Hut sein.
Mich persönlich hat 2025 vor allem die Gesundheitsdigitalisierung beschäftigt, insbesondere die elektronische Patientenakte. Sie ist nun überall im Einsatz, trotz weiterhin bestehender Sicherheitslücken, einer unzureichenden Informationspolitik und unnötiger Diskriminierungsrisiken. Für die Bundesregierung ist sie das „größte Digitalisierungsprojekt“ der deutschen Geschichte, für mich ist sie ein Paradebeispiel politischer Verantwortungslosigkeit. Niemand will für die zahlreichen Pannen geradestehen, jeder zeigt mit dem Finger auf den anderen. Ein Armutszeugnis.
Das Thema Gesundheitsdigitalisierung wird mich sicher auch im kommenden Jahr beschäftigen. Denn nach der elektronischen Patientenakte kommt der Europäische Gesundheitsdatenraum. Außerdem sollen die sensiblen Gesundheitsdaten möglichst ungehindert in die (kommerzielle) Forschung fließen. Was kann da schon schiefgehen. Außerdem wird 2026 die ID-Wallet fertig – die digitale Brieftasche für ganz Europa. Digitalminister Karsten Wildberger hat deren Deutschland-Start soeben für den 2. Januar 2027 angekündigt. Auch dieses Vorhaben birgt noch etliche offene Fragen – und Risiken.
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Fast jedes Jahr erweitert die Regierung das Ausländerzentralregister, eine der größten Datensammlungen des Bundes. Nun sollen Volltext-Dokumente in der Sammlung landen, die zur Identitätsklärung beitragen könnten – egal ob Heiratsurkunde oder Arbeitsvertrag. Außerdem will die schwarz-rote Regierung Fingerabdrücke länger speichern.

Fehlzeiten beim Integrationskurs, Tuberkulose-Untersuchungen, Asylentscheidungen – all das sind Informationen, die im Ausländerzentralregister (AZR) gespeichert werden können. 26 Millionen personenbezogene Datensätze enthalte das AZR derzeit, zu allen Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die mindestens drei Monate in Deutschland leben oder gelebt haben.
Wie viele Daten dort abgelegt werden, hängt davon ab, welchen Status eine Person hat: Geht es um eine Person aus der EU? Dann sind es weniger Informationen. Geht es um Asylantragstellende, sind es besonders viele.
Nach dem Willen der schwarz-roten Bundesregierung sollen es künftig noch wesentlich mehr werden, so steht es in einem Gesetzentwurf zur „Weiterentwicklung der Digitalisierung in der Migrationsverwaltung“ oder auch: Migrationsverwaltungsdigitalisierungsweiterentwicklungsgesetz, MDWG. Auf diesen Entwurf hatte sich das Bundeskabinett am 17. Dezember geeinigt. Damit reiht sich eine weitere Ausdehnung des Riesendatenspeichers in eine Liste fast jährlicher gesetzlicher Aufwüchse ein.
Das AZR soll dem aktuellen Entwurf zufolge unter anderem bald amtliche und nichtamtliche Dokumente zur Identitätsklärung im Volltext enthalten können, wenn eine Person keine amtlichen Ausweisdokumente vorlegen konnte. Damit soll laut Gesetzesbegründung vermieden werden, dass Unterlagen etwa bei einem Zuständigkeitswechsel mehrfach vorgelegt werden müssen. Derartige Dokumente – seien es Heiratsurkunden oder alte Arbeitsverträge – können eine Menge zusätzlicher Informationen enthalten. „Vor einer Speicherung ist sicherzustellen, dass nur diejenigen Angaben enthalten sind, die für die Identitätsklärung erforderlich sind“, heißt es daher in der Gesetzesbegründung.
Der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI) mahnt in seiner Stellungnahme an, dass unter anderem diese Speicherung „das Risiko einer Übererfassung sensibler Informationen“ berge und fordert eine „klare Zweckbindung, die Begrenzung der Speicherung auf das Notwendige sowie transparente Auskunfts- und Korrekturmöglichkeiten für Betroffene“.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände begrüßt die Regelung zwar, aber bemängelt, dass ungeklärt sei, „welche nichtamtlichen Dokumente als ein Nachweis für die Identität einer Person dienen können sollten“. Es bedürfe hier einer Klarstellung durch das Innenministerium, schreibt die Bundesvereinigung, die die Interessen von Landkreisen, Städten und Kommunen vertritt.
Deutlich ausgeweitet werden soll die Speicherung und Nutzung biometrischer Daten im AZR. Schon heute enthält das AZR Lichtbilder und zu bestimmten Personengruppen auch Fingerabdrücke. Letztere sollen nun standardmäßig gemeinsam mit der Unterschrift einer Person gespeichert werden, wenn damit ein Aufenthaltstitel beantragt wurde.
Damit sollen Behörden diese biometrischen Merkmale wiederholt nutzen dürfen, wenn eine Person einen erneuten elektronischen Aufenthaltstitel beantragt. Das soll verhindern, dass Antragsstellende erneut persönlich vorsprechen müssen. Bei Minderjährigen sollen die Daten bis zu fünf, bei Erwachsenen bis zu sieben Jahre gespeichert werden.
Der BZI äußert Bedenken, „dass mit der geplanten Langzeitspeicherung tiefe Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von Erwachsenen und Minderjährigen einhergehen“. Databund, eine Interessensvertretung mittelständischer IT-Dienstleister für die öffentliche Verwaltung, argumentiert noch deutlicher. Die Speicherung werde „zu einer Ungleichbehandlung von Deutschen und ausländischen Staatsbürgern führen“. Databund schreibt: „Generell sehen wir die Speicherung von hochsensiblen Daten in großen zentralen Registern sehr kritisch.“
Die vorgeworfene Ungleichbehandlung versucht die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung zu rechtfertigen. Bei Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit regele das Passgesetz die Ausstellung eines Ausweisdokuments, „dessen Zweck mit der einmaligen Identitätsprüfung und Aushändigung erfüllt ist“. Bei Angehörigen von Drittstaaten müssten hingegen „Identität und Aufenthaltsstatus fortlaufend geprüft“ werden. „Der Vollzug des Aufenthaltsrechts ist strukturell von wiederkehrenden Verwaltungsverfahren geprägt“, so die Bundesregierung weiter.
Zur Identitäts- und Aufenthaltsstatusprüfung sollen die Daten jedoch nicht explizit genutzt werden. Die Speicherung erfolge „ausschließlich zur erneuten Ausstellung eines befristeten elektronischen Aufenthaltstitels“, eine weitere Nutzung sei „ausgeschlossen“.
Diesen Ausschluss hält Databund offenbar für nicht überzeugend. Zum einen führten die wertvollen Daten in einem zentralen Register „zu einem großen Interesse ganz neuer (staatlicher) Angreifer, die aufgrund ihres professionellen Vorgehens auf Dauer kaum fernzuhalten sind“. Zum anderen sei „der Zugriff auf die AZR-Daten für Millionen Nutzer geplant, bei denen kaum zu kontrollieren sein wird, ob diese Personen missbräuchlich Daten abrufen“.
Laut einer Evaluation aus dem Jahr 2024 zu einer früheren AZR-Erweiterung waren damals bereits „16.000 öffentliche Stellen und Organisationen mit mehr als 150.000 Einzelnutzern“ zugriffsberechtigt. 3.056 Stellen waren Mitte 2023 zu einem automatisierten Abruf berechtigt. Das bedeutet: Wer automatisiert Daten aus dem AZR abrufen darf, muss nicht für jede Auskunft einen gesonderten Antrag stellen. Es reicht dann, über eine Schnittstelle die Daten abzurufen. Bei Daten, die über Grunddaten wie Name oder aktuelle Anschrift hinausgehen, muss der Grund der Abfrage vermerkt werden. Missbrauch soll durch eine Protokollierung der Zugriffe in Verbindung mit Stichprobenkontrollen verhindert werden.
Die Zahl der Behörden mit automatisiertem Zugriff dürfte sich gegenüber 2024 mittlerweile weiter erhöht haben und wird sich weiter erhöhen, denn die Voraussetzungen für eine Zulassung zum automatisierten Abruf wurden im vergangenen Jahr weiter gesenkt. Die Teilnahme am automatisierten Verfahren ist für alle dazu berechtigten Behörden wie beispielsweise Polizeien, Arbeits- oder Jugendämter ab dem 1. August 2026 verpflichtend.
Das vorgelegte Gesetz ist nicht das einzige, das Änderungen am AZR-Gesetz vornehmen soll. Bereits im Herbst legte die Bundesregierung einen Entwurf für das GEAS-Anpassungsfolgegesetz vor. Dabei soll das AZR so geändert werden, dass es den Vorgaben aus dem sogenannten Gemeinsamen Europäischen Asylsystem entspricht. Dazu soll ein Personendatensatz künftig auch Informationen zum Status des GEAS-Screenings enthalten. Bei diesem Screening sollen bereits an den EU-Außengrenzen Personen registriert und überprüft werden, damit sie entweder direkt abgewiesen, in ein Asylgrenzverfahren oder ein reguläres Asylverfahren überführt werden können. Gab es kein Screening an einer Außengrenze, muss es im Inland nachgeholt werden.
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Systemausfälle, eine unvollständige Umsetzung in Italien und den Niederlanden sowie ungeklärte Sonderregeln für Militärs und Milliardäre überschatten den Start des neuen Ein-/Ausreisesystems der EU. Nun beginnt die zweite Einführungsphase.

Seit 12. Oktober führen die EU-Mitgliedstaaten das neue Ein- und Ausreisesystem (EES) an ihren Außengrenzen ein. Es dient dazu, die Aufenthaltsdauer von Personen aus Drittstaaten elektronisch zu erfassen und zu überprüfen, wenn diese für einen Kurzaufenthalt von bis zu 90 Tagen (innerhalb von 180 Tagen) in den Schengen-Raum reisen. Die visafrei ankommenden Drittstaatsangehörigen werden seitdem elektronisch erfasst, inklusive vier Fingerabdrücken und Gesichtsbild. Zusammen mit den Pass- und Reisedaten werden diese Informationen drei Jahre lang gespeichert.
Das EES gilt in den 29 Schengen-Staaten, darunter 25 EU-Länder sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Seit November sei es zu mindestens drei größeren Ausfällen des Systems gekommen, heißt es aus EU-Kreisen. In einem Fall sei das EES sogar zwei Tage nicht verfügbar gewesen. Schwierigkeiten treten vor allem bei nationalen Anbindungen und lokalen Systemkomponenten auf. Angriffe auf das Zentralsystem oder andere sicherheitsrelevante Vorfälle gibt es aber, soweit bekannt, nicht.
Das EES ist Teil des sogenannten Smart-Borders-Pakets der EU. Ziel ist es, die bislang analogen Passstempel zu ersetzen und Aufenthaltsüberschreitungen automatisiert zu erkennen. Die technische Verantwortung liegt bei der EU-Agentur eu-LISA. Wegen jahrelanger Verzögerungen erfolgt die Einführung stufenweise. Ab dem 10. April 2026 soll das System schengenweit vollständig laufen.
Am 10. Dezember begann die zweite Einführungsphase. Seitdem gilt die Vorgabe, dass mindestens zehn Prozent aller Grenzübergänge in jedem EU-Mitgliedstaat mit dem EES ausgestattet sein müssen. Dazu müssen alle biometrischen Funktionen verfügbar sein und alle neu angelegten Personenakten im System Fingerabdrücke und Gesichtsbild enthalten.
Soweit bekannt erfüllen aber mindestens Italien und die Niederlande diese Zehn-Prozent-Anforderung derzeit nicht. Dort fehlen entweder die notwendige Infrastruktur, geschultes Personal oder die Technik zur biometrischen Erfassung.
Grundsätzlich ist das EES derzeit nur dort einsetzbar, wo Selbstbedienungs-Terminals und nachgelagerte E-Gates installiert wurden. Das betrifft fast ausschließlich große internationale Flughäfen, einzelne Seehäfen sowie wenige internationale Bahnhöfe. Selbst dort ist der Betrieb aber nicht flächendeckend gewährleistet. An kleineren Grenzübergängen, insbesondere im Straßenverkehr, wird weiterhin überwiegend mit Passstempeln gearbeitet.

Eine von Frontex für alle EES-Staaten entwickelte „Travel-to-Europe-App“ ist bislang ebenfalls kaum verbreitet – derzeit ist sie nur in Schweden nutzbar. Dort können Reisende vorab Passdaten, ein Gesichtsbild sowie einen Einreisefragebogen („Answer a few questions about your travel plans“) übermitteln. Die App ist in Apples App-Store und bei Google Play erhältlich. Andere EU-Staaten können sie später einführen, sind dazu aber nicht verpflichtet.
Neben technischen Problemen beschäftigt die EU-Kommission die Frage nach Ausnahmen von der Registrierungspflicht im EES. Als befreundet geltende Drittstaaten wie die USA drängen darauf, bestimmten Personengruppen Sonderregelungen zu ermöglichen. Dazu zählen unter anderem hochrangige Militärangehörige, etwa aus dem NATO-Umfeld, Diplomat*innen oder Angehörige von Königshäusern – also besonders prominente Personen oder sehr vermögende Reisende.
Ähnliche Probleme bestehen bei verdeckten Ermittler*innen, die mit echten biometrischen Merkmalen, aber falschen Identitäten reisen. In solchen Fällen wird das nationale Grenzpersonal bislang oft vorab durch vorausreisende Polizeiführer*innen informiert – ein Vorgehen, das mit dem automatisierten EES nur schwer vereinbar ist.
Die EU-Kommission prüft derzeit, welche Personenkreise künftig Ausnahmen geltend machen können und wie diese technisch umgesetzt werden könnten. Bereits bekannt sind zudem Registrierungsprobleme im Bereich der Privatfliegerei – denn an kleinen Flughäfen müssen nach derzeitigem Stand keine Fingerabdrücke oder Gesichtsbilder abgegeben werden. Auch hierzu hat die Kommission nun einen Fragebogen an die Mitgliedstaaten versendet.
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Die Bundesregierung will Internet-Zugangs-Anbieter verpflichten, IP-Adressen aller Nutzer für drei Monate zu speichern. Das geht aus dem Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung hervor, den das Justizministerium veröffentlicht hat. Das Gesetz betrifft auch Internet-Dienste wie E-Mails und Messenger.

Die Bundesregierung nimmt den dritten Anlauf für eine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Das Justizministerium von SPD-Ministerin Stefanie Hubig hat einen Gesetzentwurf erarbeitet und heute veröffentlicht.
Erneut versucht die Bundesregierung, den Begriff „Vorratsdatenspeicherung“ zu vermeiden. Das Justizministerium nennt den Gesetzentwurf „IP-Adressspeicherung“. Tatsächlich geht es wieder um eine verpflichtende und anlasslose Speicherung von Daten aller Internet-Nutzer in Deutschland auf Vorrat. Und es geht um weit mehr Daten als nur IP-Adressen.
Die Vorratsdatenspeicherung ist ein zentraler Streitpunkt in der deutschen Netzpolitik. Vor 20 Jahren haben zehntausende Menschen dagegen protestiert.
Das neue Gesetz soll Internet-Zugangs-Anbieter verpflichten, IP-Adressen und Port-Nummern sämtlicher Nutzer drei Monate lang zu speichern. Das betrifft jeden Internet-Anschluss in Deutschland, ohne Anlass und ohne Verdacht auf eine Straftat.
Ermittler sollen anhand dieser Daten die Endnutzer identifizieren und ihre Bestandsdaten erhalten. Das passiert auch ganz ohne Vorratsdatenspeicherung. Im vergangenen Jahr hat allein die Deutsche Telekom fast 290.000 Abfragen zu IP-Adressen bekommen – wegen mutmaßlicher Urheberrechtsverletzungen im Internet.
Das Justizministerium hat beim Erarbeiten des Gesetzes mit den vier großen Mobilfunk-Netz-Betreibern gesprochen. Es gibt aber viel mehr Anbieter für Internet-Zugänge. Das Gesetz spricht von „circa 3.000 Verpflichteten, eine Marginalgrenze ist nicht vorgesehen“. Lokale WLAN-Anbieter wie Hotel-Betreiber sind ausgenommen. Ob öffentliche WLAN-Netze wie Freifunk betroffen sind, wird der weitere Gesetzgebungsprozess zeigen.
Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Zombie der Netzpolitik. Es gab bereits eine EU-Richtlinie und zwei deutsche Gesetze. Alle Gesetze haben behauptet, die Vorratsdatenspeicherung sei notwendig und verhältnismäßig. Alle Gesetze waren unverhältnismäßig und rechtswidrig und wurden von höchsten Gerichten gekippt.
Statt die Daten aller Menschen ohne Anlass zu speichern, könnte man auch potentiell relevante Daten schnell einfrieren. In Österreich gibt es ein solches „Quick Freeze“-Verfahren. In Deutschland wurde das nie ausprobiert. Vor einem Jahr hat die Ampel-Regierung ein solches Gesetz vorgeschlagen. Es wurde jedoch nie beschlossen.
Das Justizministerium behauptet erneut, dass ihre anlasslose Vorratsdatenspeicherung notwendig sei. Dafür gibt es jedoch keinen wissenschaftlichen Nachweis. Das Max-Planck-Institut für Strafrecht hat Strafverfolgung in Deutschland mit und ohne Vorratsdatenspeicherung untersucht. Das Ergebnis: Es gibt ohne Vorratsdatenspeicherung keine Schutzlücken in der Strafverfolgung.
Selbst wenn die anlasslose Datenspeicherung notwendig wäre, müssen Umfang und Dauer der gespeicherten Daten auch verhältnismäßig sein. Das Gesetz schreibt eine Speicher-Dauer von drei Monaten vor. Diese Frist wird im Gesetz nicht konkret begründet.
Drei Monate sind ein politischer Kompromiss. In den Koalitionsverhandlungen wollte die Union sechs Monate, die SPD einen Monat, also haben sie sich auf drei Monate geeinigt. Laut Bundeskriminalamt „wäre eine Speicherverpflichtung von zwei bis drei Wochen regelmäßig ausreichend“.
Die neue Vorratsdatenspeicherung soll nicht überprüft werden: „Eine eigenständige Evaluierung ist nicht erforderlich.“
Das neue Gesetz geht weit über IP-Adressen bei Internet-Zugangs-Anbietern hinaus. Ermittler sollen auch Internet-Dienste dazu verpflichten dürfen, Verkehrs- und Standortdaten mit einer „Sicherungsanordnung“ zu speichern. Das Gesetz spricht explizit von Over-The-Top-Diensten wie Messengern und Sprachanruf-Apps als Nachfolger von SMS und Telefonanrufen.
Zu den verpflichteten Diensten gehören auch E-Mail-Anbieter. Die sollen beispielsweise speichern, wann sich welche IP-Adresse bei welchem E-Mail-Postfach eingeloggt hat, die E-Mail-Adressen von Sender und Empfänger einer E-Mail sowie „die Daten aus dem Header der E-Mail“.
Eine solche „Sicherungsanordnung“ soll schon greifen, wenn die Ermittler diese Daten noch gar nicht „erheben“ dürfen. Die Dienste sollen diese Daten auf Zuruf bereits extra abspeichern, damit Ermittler die später abrufen können, auch wenn beispielsweise „der Kunde seinen Account […] selbst löscht“.
Darüber hinaus ändert das Gesetz auch die Vorgaben für die Funkzellenabfrage. Bei einer Funkzellenabfrage erhalten Ermittler alle Verbindungsdaten aller Mobilfunkgeräte, die in bestimmten Funkzellen eingeloggt waren.
Der Berliner Datenschutzbeauftragte hatte 2012 festgestellt, dass die Funkzellenabfrage regelmäßig Gesetze verletzt. Der Bundesgerichtshof hat vergangenes Jahr geurteilt, dass die Funkzellenabfrage nur noch bei besonders schweren Straftaten eingesetzt werden darf.
Das Gesetz dreht jetzt das Urteil des Bundesgerichtshofs zurück. Die Funkzellenabfrage soll wieder bei „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ eingesetzt werden dürfen. „Dies entspricht dem Verständnis der Praxis, bis die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen ist.“
Das erste deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung hatte die Bundesregierung damals noch mit einer EU-Richtlinie begründet. Diese gilt seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr.
EU-Kommission und EU-Staaten arbeiten aktuell an einer Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung. Die deutsche Bundesregierung hätte die EU-Gesetzgebung abwarten können, statt kurz vorher ein deutsches Gesetz zu machen.
In anderen Politikbereichen fordert die Regierung weniger Bürokratie und weniger Regulierung für Unternehmen. Nun aber schafft die Bundesregierung neue Regulierung und neue Belastung – gegen den expliziten Willen der betroffenen Unternehmen und Anbieter.
Die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland steht und fällt mit der SPD. Das erste deutsche Gesetz 2007 verantwortete SPD-Justizministerin Brigitte Zypries. Das Bundesverfassungsgericht hat es 2010 gekippt. Das zweite deutsche Gesetz 2015 verantwortete SPD-Justizminister Heiko Maas. Das Bundesverfassungsgericht hat es 2023 gekippt.
Jetzt versucht es SPD-Justizministerin Stefanie Hubig zum dritten Mal. Erneut behauptet das Justizministerin, das Gesetz stehe „in Einklang mit Verfassungsrecht“ und sei „mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar“.
Das Gesetz geht jetzt ins Kabinett, dann in den Bundestag – und dann wieder vor das Bundesverfassungsgericht.
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Fast Tausend Texte, 47 Mal Donald Trump und 18 Grünpflanzen: In unserem traditionellen Jahresrückblick in Zahlen geht es um die ganz harten Fakten, die nicht immer so ganz ernst genommen werden sollten.

Im Jahr 2025 ist das Team von netzpolitik.org gewachsen. Im Januar kam David Giwojno als Werkstudent für die Technik-Administration dazu, im September folgten Lucas Fiola, der ebenfalls als Werkstudent unsere Social-Media-Präsenz aufmöbelt, und Timur Vorkul, unser erster Volontär. Ab Dezember unterstützt uns unsere vorherige Bundesfreiwillige Lilly Pursch bei der Spenden-Verwaltung. Als neuer Freiwilliger ist seit September Ben Kumi im Team und als feste Freie sind seit diesem Jahr auch Anna Ströbele Romero in Brüssel und Esther Menhard an Bord.
Damit sind wir 13 feste Redakteur:innen, die von mehreren freien Autor:innen, Kolumnist:innen und unserem Podcast-Produzenten unterstützt werden. In der Regel macht außerdem eine Person pro Quartal ein Praktikum in der Redaktion. In der IT arbeiten derzeit zwei Menschen, in Finanzen und Verwaltung ebenfalls, genau wie zu den Themen Kreation, Campaigning und Social Media. Eine Person sorgt dafür, dass unser Büro jede Woche blitzeblank erstrahlt. Und ein Mensch absolviert bei uns sein Freiwilligenjahr und lernt so ziemlich alle unsere Arbeitsbereiche kennen. Macht insgesamt 22 Einträge auf der Team-Seite.
All diese Menschen haben dafür gesorgt, dass wir im Jahr 2025 bis zum 19. Dezember 970 Texte auf unserer Seite veröffentlichen konnten. Die bestehen zusammen aus rund 1,87 Millionen Wörtern oder auch genauer: 11.029.782 Zeichen. Bei einer angenommenen durchschnittlichen Vorlesegeschwindigkeit von 150 Wörtern pro Minute bräuchtet ihr etwa 12.500 Minuten, um alle Texte des Jahres einzusprechen. Das sind mehr als 200 Stunden.
Die meisten Texte (209) gab es mittwochs, im Wochendurchschnitt waren es 2,7 pro Tag. Auch wenn es uns nicht so vorkam, im August sieht man ein kleines Sommerloch. In dem Monat erschienen die wenigsten Texte, nämlich 68 insgesamt.
Am Wochenende erscheint traditionell weniger, insgesamt 131 Artikel zur Lektüre gab es da. Sonntag ist der Tag für die meisten unserer Kolumnen, 36 gab es davon an der Zahl. Immer dabei war der Wochenrückblick, der jede Woche am Samstag erscheint – macht 52 bis zum Jahresende. Diesen Rückblick verschicken wir auch als Newsletter an mittlerweile 17.486 Mail-Adressen. Im Vergleich zum Vorjahr sind das mehr als 3.000 neue Abonnent:innen.
Wer noch öfter von uns Post bekommen will und Wert auf einen regelmäßigen Überblick zu neuen Texten legt, kann sich auch alle zwei Werktage „Auf den Punkt“ mit einem knackigen Vorspann in die Inbox holen. 148 Ausgaben verschickten wir bisher in diesem Jahr an 2.128 Postfächer.
Neben vielen Analysen, Recherchen, Leaks und Meldungen gab es 2024 23 Interviews und 47 Kommentare. Außerdem erschienen 15 Ausgaben unseres Podcasts „Off/On“, den wir in diesem Jahr mit einem neuen Konzept überarbeitet haben.
Inhaltlich lagen – zumindest laut unserer Schlagwort-Analyse – genau wie letztes Jahr Texte zum Thema EU-Kommission (73) an der Spitze des Häufigkeits-Rankings, gefolgt von Chatkontrolle (55) und Donald Trump (47). Eher auf die Textgattung bezogene Schlagworte wie etwa „Kolumne“ haben wir in dieser Übersicht weggelassen.
Doch nicht nur unsere Artikel erscheinen auf der Seite. Ihr habt uns 6.439 freigeschaltete Ergänzungen verfasst. Die meisten (79) stehen unter Markus Reuters Kommentar „Oh, wie schön ist Abschiebung“ zu einem Frontex-Kinderbuch. Aber auch als Martin Schwarzbeck das neue Berliner Polizeigesetz mit „Berlin wirft die Freiheit weg“ kommentierte, hat euch das zu 60 Beiträgen bewegt, dicht gefolgt von der Recherche zu 1.600 polizeilichen Überprüfungen psychisch erkrankter Menschen in Hessen mit 58 Ergänzungen.
Schon 2024 haben wir damit begonnen, euch in unserem News-Ticker mit kurzen und knappen Einordnungen auf lesenswerte Texte von anderen hinzuweisen. 2.698 Tickermeldungen sind das dieses Jahr bis zum 19. Dezember geworden, vom Hinweis auf eine unterhaltsame Randnotiz bis zur ernsten Analyse. Am häufigsten nahmen wir Artikel von heise online in unseren Ticker auf (242), gefolgt von der taz (125) und The Guardian (118).
Dass wir Links auf spannende und aufschlussreiche Quellen mögen, merkt man auch in unseren eigenen Artikeln. Im gesamten Jahr haben wir 9.639 Inhalte verlinkt, davon waren rund 2.977 interne Verweise auf netzpolitik.org, der Rest ging nach außen. Das sind rund 10 Links pro Text.
Wir haben ja schon erwähnt, dass wir dieses Jahr Social-Media-Unterstützung bekommen haben. Besonders nutzen wir Mastodon, Bluesky und Instagram, wo uns jeweils 50.000, 35.000 und 25.800 Accounts folgen. Wir posten aber beispielsweise auch auf Pixelfed und LinkedIn.
Viel mehr Menschen besuchen uns aber weiterhin direkt auf netzpolitik.org oder haben unseren Feed abonniert. Laut unserer Statistik wurden Artikel aus dem Jahr 2025 rund 13,7 Millionen Mal aufgerufen, wenn man die individuellen Aufrufe zählt. Insgesamt – inklusive der Feeds, Artikel voriger Jahre, Datei-, Podcast- und sonstiger Downloads – gab es 2025 rund 109 Millionen Seitenaufrufe, davon 60,5 Millionen unique pageviews. Dabei wird nicht gezählt, wenn jemand die Seite zweimal direkt hintereinander lädt.
Aber Obacht: Das waren sicher nicht alles menschliche Leser:innen. Da wir auf Tracking verzichten, können wir Aufrufe von Bots nicht zuverlässig aussortieren. Stattdessen messen wir serverseitig Seitenzugriffe und auch WordPress bietet uns Zahlen an, die in der gleichen Größenordnung liegen.
Am meisten gelesen habt ihr laut unserer WordPress-Statistik den Text zum Real-o-Maten – einer Wahl-o-Mat-Alternative, die auf das Abstimmungsverhalten von Parteien im Bundestag schaute. Rund 780.000 Mal wurde dieser Text geklickt. Für eine knappe Meldung ist das eine sehr ungewöhnliche Zahl und für die gibt es eine einfache Erklärung: Bei Google wurde unser Text zeitweise über der eigentlichen Real-o-Mat-Website in den Suchergebnissen angezeigt – und Leute, die direkt zum Wahl-Test wollten, landeten erstmal bei uns. Ein Musterbeispiel dafür, wie ein Suchmaschinen-Ranking die Reichweite beeinflussen kann.
Weitere statistische Einblicke gibt es dazu, wie häufig wir mit Informationsfreiheitsanfragen versuchen, an Informationen zu gelangen. 38 öffentliche Anfragen via FragDenStaat stellte das Team dabei im letzten Jahr.
Dieses Jahr haben wir außer den harten Textfakten außerdem gezählt, wie viele Pflanzen uns den Büroalltag ein wenig grüner machen. 18 Töpfe mit lebendigen Exemplaren stehen in unseren Räumen verteilt. 3 Töpfe sind leider leer, da unter anderem eine Grünlilie an zu viel Wasser verging und der Rettungsversuch für eine Kokospalme am Straßenrand zu spät kam.
Rettungsversuche gab es auch für einen neuen Bürorechner. Nach drei Rücksendungen und Reparaturversuchen beim Versender wird er bald ein viertes Mal in die Post gehen – diesmal aber ohne Rückschein.
Die Zahl, die uns aktuell am meisten beschäftigt, zum Schluss: 157.000 Euro. So viel Geld fehlt uns noch, um unsere Arbeit für das Jahr gut zu finanzieren. Wenn ihr dazu beitragen wollt und könnt, findet ihr hier alle Möglichkeiten.
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Auch wenn es zwischenzeitlich keine Sitzung des DSC-Beirats gab, hat sich beim Thema Plattform-Regulierung einiges getan. Zeit für ein Update und einen Appell fürs nächste Jahr.

Der DSC-Beirat ist ein Gremium aus Zivilgesellschaft, Forschung und Wirtschaft. Er soll in Deutschland die Durchsetzung des Digital Services Act begleiten und den zuständigen Digital Services Coordinator unterstützen. Svea Windwehr ist Mitglied des Beirats und berichtet in dieser Kolumne regelmäßig aus den Sitzungen.
Obwohl es seit Oktober einen neuen DSC-Beirat gibt – dem auch ich wieder angehören darf –, konnte er seine Arbeit noch nicht aufnehmen. Das ist ungünstig, denn es ist viel passiert: Die Durchsetzung des Digital Services Act (DSA) ist in eine entscheidende neue Phase getreten, transatlantische Spannungen nehmen weiter zu und Australien hat beim Thema Altersverifikation einen drastischen neuen Weg eingeschlagen, der auch in Europa Anklang findet. Darum gibt es heute ein Update aus der Welt der Plattformregulierung, bevor der neu besetzte DSC-Beirat am 27. Januar zum ersten Mal tagt.
Mit viel Verzögerung wurde der Beirat des deutschen DSC am 16. Oktober vom Deutschen Bundestag neu besetzt. Dabei ist einiges beim Alten geblieben und gleichzeitig wird das Gremium in Zukunft grundlegend anders aussehen.
Das fängt bei der Größe des Beirats an. Das Digitale-Dienste-Gesetz sieht vor, dass der Beirat aus 16 Personen besteht – davon acht Vertreter:innen der Zivilgesellschaft, vier Repräsentant:innen der Wirtschaft und vier Forschende. In dieser Legislatur schrumpft der Beirat auf 12 Personen. Das liegt am gesellschaftlichen Rechtsruck und der AfD, die ihrer gewachsenen Fraktionsstärke entsprechend vier Beiratsmitglieder vorschlagen durfte.
Diese Vorschläge – darunter die Initiatorin der rechtsextremen Buchmesse „Seitenwechsel“, der Leiter des Landesfachausschusses für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Medien der AfD Sachsen sowie ein geschichtsrevisionistischer Landtagsabgeordneter der AfD in Baden-Württemberg wurden von den demokratischen Fraktionen des Bundestages abgelehnt. Das sind gute Nachrichten und es zeigt, dass zumindest hier noch fraktionsübergreifende Zusammenarbeit gegen eine rechtsextreme Partei möglich ist.
Der Beirat ist allerdings nicht gleichmäßig geschrumpft. Für ihre vier Slots hat die AfD in drei Fällen „zivilgesellschaftliche“ Kandidat:innen vorgeschlagen, weshalb diese Gruppe im neuen Beirat mit nur fünf statt vorgesehenen acht Plätzen repräsentiert ist und damit am stärksten dezimiert wurde. Generell scheint Zivilgesellschaft ein dehnbarer Begriff zu sein, wie die erneuten Nominierungen eines ehemaligen Präsidenten einer Landesmedienanstalt und eines Oberstaatsanwalts nahelegen. Von der gesetzlich angedachten Stärke der Zivilgesellschaft im Beirat des DSC ist nicht viel übrig geblieben.
Angesichts der enormen Expertise vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen im Bereich Plattformregulierung ist das ein großer Verlust: Zahlreiche bisherige Aufsichtsverfahren und private Klagen gehen auf die Initiative zivilgesellschaftlicher Organisationen zurück oder stützen sich auf deren Beweiserhebungen. Mit dem Beirat wird eine europaweit beispiellose Chance geschaffen, dieses Fachwissen direkt in die Durchsetzung des DSA einfließen zu lassen. Darüber hinaus ist es für Aufsichtsstrukturen essenziell wichtig zu verstehen, mit welchen Herausforderungen, Einschüchterungsversuchen und Repressalien Zivilgesellschaft und Wissenschaft in ihrer Arbeit zur Durchsetzung des DSA konfrontiert sind.
Von Wissenschaft und Zivilgesellschaft über ihren Umgang mit diesen Herausforderungen zu lernen, wird in Zukunft wohl auch für Aufsichtsbehörden selbst immer relevanter werden. Dafür sprechen die Reaktionen der Trump-Regierung auf die lang erwartete Entscheidung der EU-Kommission, die ein Bußgeld von 120 Millionen Euro für Verstöße gegen den DSA gegen X verhängt hat.
In dem Verfahren geht es um Verstöße gegen DSA-Verpflichtungen, Forschenden Zugang zu öffentlich zugänglichen Daten zu geben und Transparenz zu Werbeanzeigen über eine dedizierte Werbebibliothek zu schaffen. X hatte Forschenden systematisch Zugang zu Daten verwehrt, indem es beispielsweise Scraping verhinderte. X’ Werbebibliothek weist strukturelle Zugangsbarrieren auf, wie übermäßige Verzögerungen bei der Verarbeitung von Anfragen. Außerdem fehlen zentrale Informationen wie der Inhalt und das Thema einer Anzeige sowie die juristische Person, die dafür bezahlt. Zusätzlich legt die Europäische Kommission den sogenannten blauen Haken auf X als irreführende Designpraxis aus. Der Haken, der früher dafür stand, dass ein Konto verifiziert war (und der damit zum heißbegehrten Symbol für Relevanz und Glaubwürdigkeit wurde), ist inzwischen käuflich zu erstehen und macht es so Nutzenden schwer, die tatsächliche Authentizität eines Accounts zu beurteilen.
Der vorläufige Abschluss des Verfahrens gegen X markiert genau das: den Abschluss eines administrativen Akts gegen einige der offensichtlichsten DSA-Verstöße. Keiner der hier thematisierten Verstöße betrifft die Meinungsfreiheit von Nutzenden oder lässt darauf schließen, dass X ins Visier genommen wurde, weil es ein US-amerikanisches Unternehmen ist. Trotzdem wird das Bußgeld gegen X als Beweis für „Civilizational Erasure“ gesehen, also die eigene Auslöschung der europäischen Zivilisation durch angebliche Zensurmaßnahmen wie den DSA. Dieser Ausdruck stammt aus der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA, die eine klare Abkehr von vormals zumindest ansatzweise geteilten transatlantischen Vorstellungen und Werten ausdrückt.
Mit den angekündigten Visa-Beschränkungen für Menschen, die zu Inhaltemoderation, Factchecking oder Compliance mit Plattformregulierung arbeiten, ist klar, dass die Drohgebärden der Trump-Administration schon lange keine reinen Gebärden mehr sind, sondern konkrete Auswirkungen für die Durchsetzung von Gesetzen wie dem DSA haben.
Zudem kommt das Bußgeld der Trump-Regierung gelegen, um den transatlantischen Handelsstreit weiter zu eskalieren. So wurden inzwischen Vergeltungsmaßnahmen gegen europäische Unternehmen wie Mistral, Spotify oder Siemens angekündigt, falls die EU nicht ihre Digitalregulierung abbaut und Verfahren gegen US-Unternehmen einstellt. Musk hat derweil die Werbekonten der EU-Kommission auf X sperren lassen.
Das Gebaren der US-Regierung ist auch eine weitere Bestätigung des enormen Einflusses der Silicon-Valley-Tech-CEOs in Trumps Weißem Haus. Dabei geht es schon lange nicht mehr nur um die persönliche Unterstützung Trumps durch Millionenspenden, sondern um eine gemeinsame Durchsetzung ihrer Interessen.
Noch ist unklar, ob die Europäische Kommission sich von den angekündigten Repressalien gegen europäische Unternehmen beeindrucken lassen wird. Die nächste Eskalation wartet derweil schon: Sollte sich Musks Ansage bewahrheiten, das Bußgeld gegen X nicht zu bezahlen, wird sich die Frage stellen, wie weit die Europäische Kommission gehen wird, um das Recht durchzusetzen. Neben weiteren Maßnahmen und höheren Bußgeldern kann die Kommission als letztes Mittel auch zu Netzsperren greifen – ein tiefer Einschnitt und kaum geeignet, um Akzeptanz für den DSA zu erhöhen. Angesichts der engen Beziehungen zwischen Trump und weiteren Tech-CEOs, deren Plattformen Gegenstand von Durchsetzungsverfahren sind, wird sich zeigen, wie weit Trumps Einschüchterungsversuche gehen werden und welche Seite zuerst Tatsachen schaffen wird.
Tatsachen geschaffen hat Mitte Dezember schon Australien. Dort ist am 10. Dezember ein kontroverses Gesetz in Kraft getreten, das wohl am nächsten an ein aktuell auch in Europa gefordertes Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche herankommt. Unter dem australischen Gesetz wurden eine Handvoll Online-Plattformen als „altersbeschränkte“ Plattformen designiert, darunter Instagram, TikTok und YouTube. Diese Plattformen sind nun verpflichtet, dafür zu sorgen, dass unter 16-Jährige keine neuen Nutzerkonten anlegen können und bestehende Konten gelöscht werden. Wie genau die Plattformen diese Altersbeschränkungen durchführen, ist ihnen selbst überlassen. Das australische Gesetz sieht lediglich vor, dass kein Zwang zur Nutzung von staatlichen Identitätsdokumenten bestehen darf.
Damit ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich in Australien wiederholen wird, was in Großbritannien seit dem Inkrafttreten des dortigen Online Safety Act zu beobachten ist. Dort müssen Nutzer:innen regelmäßig ihr Alter von einer Vielzahl von kommerziellen Anbietern schätzen lassen, um weiterhin Zugang zu den von ihnen genutzten Plattformen zu haben. Die wegen ihrer vermeintlichen Niedrigschwelligkeit besonders häufig genutzte Methode der KI-gestützten Analyse biometrischer Gesichtsdaten funktioniert nachweislich schlechter bei nicht-männlichen, nicht-weißen Personen. Sie ist ungeeignet, um präzise Einschätzungen entlang von rechtlichen Schwellenwerten – zum Beispiel unter oder über 16 – vorzunehmen. Abgesehen von schwerwiegenden Datenlecks hat dies unter anderem dazu geführt, dass Nutzende den Zugriff auf Messaging-Funktionen verloren haben und dass angeblich sensible Inhalte, beispielsweise Beiträge über die Lage in Gaza oder den Krieg in der Ukraine, hinter Altersschranken versteckt wurden.
Ganz unabhängig davon, dass so verfolgte Zugangsverbote massiv in die Grundrechte von jungen Menschen eingreifen, sich online auszudrücken und an der Gesellschaft teilzuhaben, ist es fraglich, ob abstinenzbasierte Ansätze wie der australische ihre Ziele überhaupt erreichen können. Das fängt bereits bei der Robustheit der ergriffenen Maßnahmen an. Jugendliche in Großbritannien konnten durch einfachste Tricks Altersschranken umgehen, VPNs bieten nach wie vor eine einfache Methode, um lokale Altersschranken zu umgehen und australische Teens berichten, die einjährige Umsetzungsfrist des Gesetztes genutzt zu haben, um das in ihren Konten hinterlegte Alter hochzusetzen – oft mit Unterstützung ihrer Eltern. Dazu kommt, dass das australische Gesetz einige der aus Kinder- und Jugendschutzperspektive virulentesten Plattformen wie Roblox, Discord oder Steam explizit nicht umfasst. Gerade also Plattformen, die in der Vergangenheit durch mangelnde Kinderschutzeinstellungen und schlechte Inhaltemoderation Aufsehen erregt haben, sind von den Pflichten ausgenommen.
Aber auch in anderen Bereichen haben Verbote in der Vergangenheit kaum Wirkung gezeigt. Exemplarisch ist die Alkopop-Steuer aus den Nullerjahren, mit der der Konsum von süßen Alkohol-Mischgetränken unter Jugendlichen gesteuert werden sollte. Während die erhöhten Preise für Alkopops deren Konsum tatsächlich zeitweise zurückgehen ließen, führte die Steuer nicht dazu, dass junge Deutsche weniger tranken – sie stiegen schlicht auf andere alkoholische Getränke um. Aktuell sind Alkopops wieder beliebter denn je. Und hochprozentiger – Grund dafür ist die Steuer selbst, die sich an Getränke mit bis zu zehn Prozent Alkoholanteil richtet, und damit aktuelle Alkopops mit exakt zehn Prozent Alkohol nicht erfasst.
Was tatsächlich zum insgesamt rückläufigen Trinkverhalten von Jugendlichen geführt hat? Die Corona-Pandemie, verändertes Freizeitverhalten und ein Wertewandel, in dem der gewachsene Stellenwert von Fitness und Trends wie “clean eating” und “dry January” eine Rolle spielen. Das Beispiel zeigt, dass gesünderes Konsumverhalten nicht unbedingt gesetzlich erzwungen werden kann. Stattdessen sind es langfristigere Ansätze, die Erfolg zu haben scheinen. Übertragen auf das Internet wären also nicht Verbote der Weg nach vorne, sondern Aufklärung, Kompetenzaufbau, kindergerechte Online-Räume und nachhaltige gesellschaftliche Auseinandersetzungen mit verantwortungsvollem Medienkonsum.
Das alles macht Australien zu einem faszinierenden Experiment. Noch nie zuvor war es möglich, die Auswirkungen eines (zumindest teilweisen) Verbots sozialer Medien zu untersuchen. Fürsprecher:innen versprechen Verbesserungen bezüglich der mentalen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, weniger Mobbing und Schutz vor Kontaktaufnahme Fremder. Wahrscheinlicher scheint mir, dass australische Kinder und Jugendliche sich weiterhin online ausprobieren, vernetzen und entdecken wollen, und das auch weiterhin auf alternativen Plattformen tun werden. So oder so werden die Auswirkungen des Gesetzes wohl erst in einigen Jahren sichtbar werden.
In der Zwischenzeit besteht die Gefahr, dass Australiens harte Vorgehensweise Schule macht. Auch in Europa werden Rufe nach pauschalen Verboten immer lauter, statt die Geschäftspraktiken anzugehen, mit denen Online-Plattformen so häufig Profite über die Rechte und Bedürfnisse von jungen Nutzenden stellen. Dafür bietet der DSA zwar unperfekte, aber existente Werkzeuge, mit deren konsequenter Durchsetzung einiges zu gewinnen wäre. Noch gibt es eine Chance, nachhaltigere Wege als Verbote einzuschlagen: Lasst uns 2026 dafür streiten.
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Die 51. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 20 neue Texte mit insgesamt 171.053 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Liebe Leser*innen,
für mich geht eine aufregende Woche zu Ende. Die Tage bin ich immer wieder von alleine wach geworden, wenige Minuten vor dem Weckerklingeln, weil mein Kopf mit erstaunlichem Timing einfach schon damit losgelegt hatte, an netzpolitik.org zu denken. Es ist eine Woche mit Gründen zum Feiern und Gründen zum Bangen für meine Kolleg*innen und mich.
Ein Grund zum Feiern: Wir haben dieses Jahr mit unseren Recherchen eine Menge bewegt und mit angestoßen. Drei Beispiele:
Das und mehr lest ihr in unserem Rückblick, was unser Journalismus im Jahr 2025 verändert hat.
Noch ein Grund zum Feiern: Zum zweiten Jahr in Folge wurden meine Kolleg*innen Anna und Daniel als „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ geehrt, und zwar in der Kategorie „Chefredaktion national“, dritter Platz. Ein Satz, genauer gesagt ein Wort aus der Laudatio ist so zweischneidig, dass ich schlucken musste.
Netzpolitik.org war in diesem Jahr voller Debatten über Überwachung, Datenzugriffe und Bürgerrechte unverzichtbar.
Na, wer will als Journalist*in schon nicht relevant sein? Aber Unverzichtbarkeit, das ist noch mal eine Stufe mehr. Es zeugt davon, wie in Zeiten von grassierendem Autoritarismus und Faschismus (nicht nur digitale) Grund- und Freiheitsrechte zunehmend in Gefahr geraten. In dem Wort „unverzichtbar“ steckt eine Ernsthaftigkeit, die ich gerade in diesem Jahr zunehmend zu spüren bekomme. Meine Arbeit ist ernster geworden, oftmals ernster, als es mir lieb ist.
Wir bei netzpolitik.org klären nicht nur darüber auf, was schiefläuft. Wir wollen nicht nur dazu beitragen, das Schlimmste zu verhindern. Wir wollen auch Grund- und Freiheitsrechte durch unsere Recherchen stärken – gegen alle Widerstände. Wir sind Teil und Stimme einer engagierten Zivilgesellschaft, die in diesem Jahr selbst von der Kanzlerpartei torpediert wird.
Mit unserer Arbeit machen wir keinen Profit, netzpolitik.org ist gemeinnützig. Wir haben keine Werbung und keine Paywalls. Allein die Spenden von unseren Leser*innen machen es möglich, dass wir frei und unabhängig recherchieren und berichten können.
Stand aktuell fehlen uns noch 172.000 Euro, um diese Arbeit nächstes Jahr fortsetzen zu können. Das ist der Grund zum Bangen, den ich am Anfang erwähnt habe. Letztes Jahr hat es ja geklappt, unser Spendenziel zu erreichen. Aber was ist dieses Jahr?
Damit wir 2026 keinen Bauchplatscher hinlegen: Bitte unterstützt uns. Optionen gibt es viele – auch wenn ihr selbst gerade kein Geld übrig habt.
Falls ihr uns noch nicht unterstützt: Werdet jetzt Teil der engagierten Leser*innen, denen Grund- und Freiheitsrechte nicht egal sind, und helft mit, uns über diese 172.000-Euro-Hürde zu hieven.
Und falls ihr uns schon unterstützt: Tausend Dank dafür! Ihr seid Teil einer Community, die mit vielen kleineren Beiträgen etwas Großes möglich macht.
Kommt gut in die Feiertagswoche rein.
Alles Liebe
Sebastian

Wenn ein IT-System veraltet oder kaputt ist und jemand darauf hinweist, verursacht das erstmal Stress. Aber den Status um jeden Preis aufrechtzuerhalten ist nicht der beste Umgang, findet unsere Kolumnistin. Sie schlägt einen anderen Weg für ein stressfreies digitales Zusammenleben vor. Von Bianca Kastl –
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Verhaltensscanner, Gesichtserkennung, Filmen in Autos: Die geplante Novelle des Sächsischen Polizeigesetzes enthält viele Verschärfungen. Nach harscher Kritik aus der Zivilgesellschaft geht auch der Koalitionspartner SPD auf Distanz zu einigen Punkten des Entwurfs. Von Leonhard Pitz –
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Verhaltensscanner, Gesichtserkennung, Filmen in Autos: Die geplante Novelle des Sächsischen Polizeigesetzes enthält viele Verschärfungen. Nach harscher Kritik aus der Zivilgesellschaft geht auch der Koalitionspartner SPD auf Distanz zu einigen Punkten des Entwurfs.

„Näher an China als am Grundgesetz“, „rechts-autoritärer Entwurf“ und „bewusster Verfassungsbruch“ – die Kritik an der geplanten Novelle des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes (SächsPVDG) war harsch und kam, angesichts der vielen neuen Polizeibefugnisse auf Kosten der Grundrechte, auch nicht überraschend.
Nun stimmt mit der SPD sogar ein Teil der Regierungskoalition in den Chor der Kritiker ein. Damit wird es immer unwahrscheinlicher, dass alle Verschärfungen aus dem Entwurf es auch in das finale Gesetz schaffen.
Die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag kritisiert in einer Stellungnahme an das Innenministerium, die wir vorab einsehen konnten, einige der vielen Verschärfungen, die der Entwurf aus dem sächsischen Innenministerium vorsieht.
Man müsse auf die aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen reagieren, schreibt Henning Homann, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, in der Einleitung der Stellungnahme. Zugleich gelte es Maß und Mitte bei einer Überarbeitung der polizeilichen Rechtsnormen zu wahren. „Denn nicht alles, was technisch möglich oder verfassungsrechtlich gerade noch zulässig ist, ist auch sinnvoll oder geboten.“
Das kann man schon als deutliche Distanzierung von dem Entwurf des Innenministeriums interpretieren, der sich teilweise mehr liest wie eine Polizeiwunschliste.
Die SPD-Fraktion begrüßt aber auch einige Punkte des Gesetzes, etwa zur Drohnenabwehr und bei Fällen häuslicher Gewalt. Kein kritisches Wort verliert sie zudem über den Abgleich von Gesichtern und Stimmen mit Daten aus dem Internet, obwohl das Vorhaben laut einem Gutachten von AlgorithmWatch nicht legal umsetzbar ist.
Doch selbst bei manchen Punkten, die die SPD laut Stellungnahme mittragen will, geht sie einen Schritt weg vom Entwurf. Laut diesem sollten Polizist:innen Bodycams künftig auch in Wohnungen einsetzen dürfen. Die SPD möchte das nicht gleich ermöglichen, sondern erstmal prüfen – und bezieht sich damit auf den Koalitionsvertrag.
Auch den Einsatz von Staatstrojanern (Quellen-TKÜ) „zur Abwehr erheblicher terroristischer Gefahren oder zur Verhinderung schwerster Kapitalverbrechen, bei denen der Rückgriff auf strafprozessuale Befugnisse ausscheidet“, will die SPD-Fraktion mittragen. Das haben CDU und SPD ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbart.
Kritisch sieht die SPD-Fraktion allerdings den Einsatz von Staatstrojanern gegen IT-Systeme von Dritten. Diese sollen laut Gesetzentwurf auch dann angezapft werden können, wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass ein anderer Mensch das gleiche Gerät wie eine zu überwachende Person benutzt oder für ihn Meldungen weitergibt. Die SPD möchte den Staatstrojaner-Einsatz gegen Dritte weiterhin erlauben, aber nur in Fällen, in denen eine „gegenwärtige Gefahr“ besteht für die Sicherheit des Bundes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person.
In der Stellungnahme bekräftigt die SPD-Fraktion auch ihr Nein zu Palantir. Zwar trägt die Partei grundsätzlich die Einführung einer Polizeisoftware zur Analyse von personenbezogenen Daten mittels Künstlicher Intelligenz mit. Die Firma des Tech-Milliardärs Peter Thiel soll aber nicht nach Sachsen kommen.
„Aufgrund schwerwiegender Bedenken gegenüber dem Unternehmen, seinem Gründer und Investoren sowie dem bestehenden Missbrauchspotenzial, das die Einspeisung enormer personenbezogener Datensätze in ein solches System und der Speicherung auf Servern außerhalb der Europäischen Union bereithält, kommt für die polizeiliche Nutzung einer solchen KI-Anwendung nur ein nationales oder europäisches Produkt in Frage, das entsprechend der Unionsregelung zum Daten- und Grundrechteschutz entwickelt und ausgestaltet wurde“, hält die SPD fest.
Bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs hatte Innenminister Armin Schuster laut Sächsischer Zeitung noch gesagt, dass es keine Vorfestlegung auf Palantir oder einen anderen Anbieter gebe. Laut SPD-Fraktion habe man sich sogar darauf geeinigt, dass Palantir ausgeschlossen werde. Die CDU-Fraktion beantwortete die Frage von netzpolitik.org nach dem genauen Inhalt der Einigung nicht.
Die SPD-Fraktion setzt sich auch dafür ein, dass die Polizei kein lernendes, sondern ein „austrainiertes“, also deterministisches System bekommt. Damit soll verhindert werden, dass personenbezogene Daten bei der Polizei zur Trainingsmasse der KI werden und dadurch dauerhaft im System verbleiben.
Die SPD-Fraktion will auch „kritisch überprüfen“ lassen, ob man polizeilich erhobene Daten an Dritte zum Training von KI-Systemen übermitteln soll. Insbesondere die Übermittlung an kommerzielle Dienste in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union sieht die Fraktion kritisch.
Zu den Punkten, die der SächsPVDG-Novelle mit am meisten Kritik bescherten, gehört die Videoüberwachung des öffentlichen Verkehrsraums. Das Innenministerium will, dass die sächsische Polizei künftig anlasslos in Autos filmen darf, um Menschen mit Handy am Steuer zu erwischen. Dazu soll die Polizei auch Drohnen einsetzen dürfen.
Die SPD ist hier nach eigener Aussage „grundsätzlich skeptisch […], da es bei einer solchen Maßnahme zu einer anlasslosen und massenhaften Erhebung personenbezogener Daten kommt, die tief in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einer Vielzahl unbeteiligter Personen eingreift.“ Die Maßnahme sei nicht verhältnismäßig, es gebe auch keinen statistischen Beleg, dass Handys am Steuer eine wichtige Unfallursache seien, schreibt die SPD weiter und verweist auf die Stellungnahme der Unabhängigen Beschwerdestelle der Polizei. Letztere zweifelt auch die Gesetzgebungskompetenz des Freistaats Sachsen in dieser Frage generell an.
Ein weiterer Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung sind die geplanten Maßnahmen zur Videoüberwachung mit Künstlicher Intelligenz. Auch gegen diesen Paragrafen spricht sich die SPD aus.
Er soll zum einen ermöglichen, dass eine Software Waffen und gefährliche Gegenstände erkennt sowie Bewegungsmuster, „die auf die Begehung einer Straftat hindeuten“. Vorbild ist ein Projekt in Mannheim.
Zum anderen soll die Software auch Menschen nachverfolgen können, deren Bewegungsmuster auffällig waren, sofern ein Polizist das bestätigt. Mit richterlicher Anordnung oder bei Gefahr im Verzug darf die Polizei auch einen Abgleich der gefilmten Gesichter mit den eigenen Auskunfts- und Fahndungssystemen durchführen.
Insbesondere diese Nachverfolgung und „Echtzeit-Fernidentifizierung“ stört die SPD. Die Eingriffsschwelle sei zu niedrig und es sei auch nicht ersichtlich, „inwiefern der bloße biometrische Abgleich […] zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr dienen soll“. Dafür brauche es das aktive Einschreiten von Polizist:innen, argumentiert die SPD.
Auch die geplante flächenmäßige Ausstattung von Polizist:innen mit Tasern soll nach dem Willen der SPD nicht flächenmäßig erfolgen, sondern sich zunächst auf zwei der fünf Polizeidirektionen beschränken. „Die Erprobung ist folgerichtig mit einer Evaluationspflicht und einer gesetzlichen Befristung zu versehen“, schreibt die sozialdemokratische Fraktion.
Außerdem will die SPD-Fraktion den im Gesetzentwurf mehrmals wiederkehrenden Begriff der „Vorfeldstraftat“ durch den juristischen Begriff der „strafbewehrten Vorbereitungshandlung“ ersetzen. Das ist wichtig, weil die „Vorfeldstraftat“ im Gesetzentwurf oft schon Überwachungsmaßnahmen erlauben.
Wie kommt es nun aber, dass die SPD-Fraktion den Entwurf so deutlich kritisiert, während die SPD-Minister:innen den Entwurf im Kabinett abgesegnet haben?
Möglicherweise war auch der Druck inner- und außerhalb der eigenen Partei ausschlaggebend. Mit den Jusos Sachsen hatte der eigene Jugendverband den Gesetzesentwurf schon im Oktober Punkt für Punkt scharf kritisiert. „Sicherheit entsteht durch Rechtsstaatlichkeit, Vertrauen und soziale Stabilität, nicht durch permanente Datenerhebung“, heißt es in deren Positionspapier.
Auch die 86 eingereichten Stellungnahmen von Bürger:innen über das Beteiligungsportal fielen in überwältigender Mehrheit gegen die vielen Befugniserweiterungen aus. Wir haben sie mithilfe des Sächsischen Transparenzgesetzes befreit. Zur Beteiligung über das Portal hatten unter anderem der Grünen-Abgeordnete Valentin Lippmann sowie die Aktivistin und Piratenpolitikerin Stephanie Henkel aufgerufen.
Die SPD-Fraktion verweist in ihrer Stellungnahme zudem immer wieder auf die Einschätzungen von angefragten Fachverbänden, wie etwa der Landesdatenschutzbeauftragten, dem Bund Deutscher Kriminalbeamter und der Unabhängigen Beschwerdestelle.
Aus Sicht der Koalition steht die Zustimmung im Kabinett und die Stellungnahme der SPD-Fraktion in keinem Widerspruch. So sagt der sächsische SPD-Wirtschaftsminister Dirk Panter gegenüber netzpolitik.org: „Der aktuelle Entwurf ist ein Kompromiss, auf dessen Grundlage der Sächsische Landtag und die Verbände angehört werden. Das Kabinett war sich deswegen einig, dass es den Entwurf freigibt.“
Auch der Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Fischer, betont gegenüber netzpolitik.org, dass der Kabinettsbeschluss nur voraussetze, dass der Entwurf von beiden Koalitionspartnern grundsätzlich mitgetragen werde. „Mit dem Entwurf wurde aber nicht der abschließende Wille des Gesetzgebers oder der Koalitionsfraktionen festgelegt.“ Konsultationsmechanismus und parlamentarisches Verfahren seien genau dafür vorgesehen, Änderungswünsche zu formulieren und Verbände anzuhören. In anderen Worten: business as usual.
Nichtsdestotrotz verringert die Kritik der SPD eher das Risiko, dass der Entwurf mit seinen vielen Grundrechtseinschränkungen genau so kommt, wie vom Innenministerium vorgesehen. Grund dafür ist die Mehrheitssituation im sächsischen Landtag. CDU und SPD stellen hier nur eine Minderheitsregierung, brauchen also mindestens zehn weitere Stimmen, müssen also mit einer oder mehreren Oppositionsparteien kooperieren.
Eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD würde voraussichtlich die Koalition sprengen, denn im Koalitionsvertrag heißt es: „Eine Zusammenarbeit oder eine Suche nach parlamentarischen Mehrheiten mit der AfD als gesichert rechtsextrem eingestufter Partei wird es durch die neue Regierung und die Koalitionsfraktionen nicht geben.“
Für die Verhandlungen mit den übrigen Parteien ändert sich durch die SPD-Position die Dynamik. Nun verhandelt die Regierungskoalition nicht mehr geschlossen mit einer Oppositionsfraktion, um möglichst große Teile des Entwurfs durchzubekommen. Stattdessen wollen – abgesehen vom Innenministerium und der CDU – sowohl die SPD als auch andere Fraktionen den Entwurf eher abschwächen.
Grüne und Linke hatten sich besonders deutlich gegen den Entwurf geäußert, sprachen wie Rico Gebhardt (Linke) von einer „endlosen Polizeiwunschliste“ und einem „Gift der Überwachung“, welches näher an der Praxis Chinas sei als am Grundgesetz, wie Valentin Lippmann (Grüne) sagte. Zudem müssten aufgrund ihrer Größen beide Fraktionen gemeinsam überzeugt werden.
Daher liegt der Fokus auf dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Wie sich das BSW hier positionieren wird, ist aktuell unklar. Auf Anfragen von netzpolitik.org antwortete die BSW-Fraktion nicht.
In seinem Wahlprogramm zur Landtagswahl 2024 schrieb das BSW Sachsen noch: „Wir stehen für eine vernünftige Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. Einen übergriffigen Staat lehnen wir ab, weshalb immer die Verhältnismäßigkeit der Mittel und die universelle Unschuldsvermutung gelten müssen. Jedermann soll sich in der Öffentlichkeit frei entfalten können, ohne Angst vor Beobachtung und Überwachung. Mehr Polizisten auf der Straße und in Problemvierteln sind im Bedarfsfall eine größere Hilfe als mehr Videokameras.“
Daran wird sich das BSW messen lassen müssen.
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Seit knapp einem Jahr gibt es die elektronische Patientenakte. Dennoch kennen viele Versicherte deren Funktionen nicht, und eine große Mehrheit wünscht sich mehr Einstellungsmöglichkeiten. Das ergibt eine Umfrage der Bundesdatenschutzbeauftragten, die bessere Informationspolitik und technische Nachbesserungen fordert.

Die elektronische Patientenakte (ePA) ist inzwischen einem Großteil der Bevölkerung bekannt. Gleichzeitig kursieren aber noch viele falsche Informationen über sie. Und nur etwa jede:r Zehnte nutzt die eigene Akte aktiv.
Das sind zentrale Ergebnisse einer „Datenbarometer-Befragung“ der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Louisa Specht-Riemenschneider. In ihrem Auftrag hat das Meinungsforschungsinstitut info im November rund 1.500 gesetzlich Versicherte zur ePA befragt.
Seit Januar haben die Krankenkassen für alle gesetzlich Versicherten, die nicht widersprachen, eine digitale Patientenakte angelegt. Nach einer Pilotphase wurde die ePA im Frühjahr schrittweise bundesweit ausgerollt. Seit Oktober sind alle Ärzt:innen, Apotheken und Krankenhäuser dazu verpflichtet, die ePA zu nutzen.
Nach knapp einem Jahr kennen 95 Prozent der Befragten die ePA zumindest dem Namen nach. Allerdings verfügen nur 12 Prozent über einen Zugang zu ihrer Akte. Das heißt, sie haben etwa eine Gesundheits-ID und sich mit Hilfe der App ihrer Krankenkasse in die persönliche ePA eingeloggt. Zu den aktiven Nutzer:innen zählen laut Datenbarometer vor allem jüngere Menschen unter 40 und Menschen mit höherem Bildungsabschluss.
Knapp 80 Prozent der Befragten haben ihre ePA noch nicht aktiviert, sie gelten als „passiv Nutzende“. Als Grund führen sie einen fehlenden Bedarf (42 Prozent) und Zeitgründe (26 Prozent) an.
7 Prozent der Befragten haben der ePA widersprochen, 5 Prozent wollen dies noch tun, 3 Prozent sind unentschieden – in der Summe sind das 15 Prozent der Befragten. Die BfDI schließt daraus, dass 85 Prozent der gesetzlich Versicherten ihre ePA behalten möchten.
Auch wenn der Bekanntheitsgrad der ePA steigt, zeigt die Umfrage, dass derzeit noch zahlreiche Fehlannahmen über sie kursieren.
Demnach glauben 43 Prozent der Befragten fälschlicherweise, dass die ePA erst eingerichtet werde, wenn sich Versicherte registriert und die entsprechende App auf ihrem Endgerät installiert haben. Und nur gut ein Drittel von ihnen weiß, dass Versicherte eigenständig Dokumente aus der digitalen Patientenakte löschen dürfen.
Immerhin geben 60 Prozent der Befragten korrekt an, dass die ePA nicht verpflichtend ist. Und knapp 90 Prozent wissen, dass der Arbeitgeber die in der Akte hinterlegten Daten nicht einsehen darf.
Diese Zahlen stützen die Kritik an der Informationspolitik des Gesundheitsministeriums und vieler Krankenkassen. Schon vor dem bundesweiten Roll-out im April hatten Nichtregierungsorganisationen und Patientenschützer:innen deren Vorgehen als intransparent und irreführend gerügt.
Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider kritisierte jüngst im Interview mit netzpolitik.org die Informationspolitik der Krankenkassen:
Damit Menschen sich wirklich befähigt fühlen, informierte Entscheidungen zu treffen, muss ich anders informieren als in einem fünfseitigen Brief, den Versicherte bekommen und dann achtlos in den Müll schmeißen, weil sie denken, das es eine weitere Beitragsanpassung ist.
Laut der Datenbarometer-Befragung haben rund 70 Prozent der Befragten das Informationsschreiben der Krankenkassen zur ePA ganz oder teilweise gelesen; jede*r Zehnte sagt, den Brief nicht erhalten zu haben.
Insgesamt sei „viel zu spät und mit viel zu geringer Priorität informiert“ worden, sagt Louisa Specht-Riemenschneider. Eine Informationskampagne zur ePA unter dem Motto „ePA? Na sicher!“ startete das Bundesgesundheitsministerium Anfang Dezember.
Insgesamt wollen 42 Prozent der Befragten die ePA in den kommenden sechs Monaten aktiv nutzen. Gleichzeitig gaben mehr als vier Fünftel (83 Prozent) von ihnen an, sich umfangreichere Einstellungsmöglichkeiten in der digitalen Patientenakte zu wünschen. Diese Einstellungen können unter anderem steuern, wer Befunde oder verschriebene Medikamenten einsehen darf.
Zugleich ist die Bereitschaft unter den Befragten, ihre Gesundheitsdaten weiterzugeben, relativ hoch: Mehr als zwei Drittel der Befragten würde demnach wichtige medizinische Unterlagen mit behandelnden Ärzt:innen teilen. Genauso viele von ihnen wären dazu bereit, pseudonymisierte Daten zu wissenschaftlichen Zwecken bereitzustellen.
Die Bundesdatenschutzbeauftragte sieht hier einen Zusammenhang. „Die Funktionen und Einstellungsmöglichkeiten bei der ePA müssen für alle verständlich und nachvollziehbar sein“, so Louisa Specht-Riemenschneider. „Das ist die Grundvoraussetzung für einen selbstbestimmten Umgang mit den eigenen Gesundheitsdaten, den sich die Menschen wünschen.“
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Die Vereinten Nationen haben sich am Mittwoch in New York darauf verständigt, das Internet Governance Forum zur ständigen UN-Institution zu machen. Was auf dem Spiel stand und warum die Ergebnisse aus Sicht der digitalen Zivilgesellschaft optimistisch stimmen, erklärt Sophia Longwe von Wikimedia Deutschland.

Eine Woche vor Heiligabend hat die UN-Generalversammlung in New York City einen Konsens zur Zukunft der Internet Governance und der internationalen Digitalpolitik gefunden. Dabei stand viel auf dem Spiel. Denn die sogenannte WSIS+20-Resolution entscheidet nicht nur über die Zukunft des Internet Governance Forums (IGF), sondern darüber, wer künftig Macht über das Internet ausübt. Das sorgte für Zündstoff. Auch wenn die Aufmerksamkeit nur in dieser Woche auf der Resolution lag, waren Stakeholder aus der ganzen Welt schon das ganze Jahr mit dem Prozess beschäftigt.
Dabei zeichneten sich viele Spannungsfelder ab. Eines davon: Welche Rolle sollen Akteure aus der Zivilgesellschaft künftig spielen? Zwanzig Jahre nach dem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft in Genf und Tunis (World Summits on the Information Society 2003/2005) stand nicht weniger auf dem Spiel als die Frage, wie das Internet künftig gestaltet wird.
Aus Sicht der digitalen Zivilgesellschaft war dabei besonders wichtig: Welche Zukunft hat das Internet Governance Forum? Und wie wird es künftig gestaltet? Denn das IGF ist einer der letzten Orte, an dem Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft, Jugend, technische Community, Politik und Verwaltung gemeinsam über die Zukunft des Internets beraten. Für die digitale Zivilgesellschaft ist es eines der wenigen globalen Foren, in denen ihre Perspektiven institutionell verankert sind und tatsächlich Einfluss entfalten können.
Am Vortag der Abstimmung hat Karsten Wildberger, Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung, eine Rede gehalten. “Wir sind hier, um unser Engagement für das freie, offene und interoperable globale Internet zu bekräftigen. Seine größte Stärke ist die Offenheit.”
Diese Worte sind ein wichtiges Signal für die Prinzipien, für die sich die digitale Zivilgesellschaft einsetzt. Fast noch wichtiger: Die Bundesregierung will Worten auch Taten folgen lassen. Wildberger kündigte an, dass eine Million Euro aus dem Bundeshaushalt an das globale IGF gehen werden.
Der Hauptstreitpunkt im Prozess war die Zukunft des globalen IGF. In diesem kurzen Zeitfenster ist es gelungen, dass Staaten wie die Ukraine und Russland einen Konsens darüber finden konnten, wie es mit dem Internet weitergeht. Sie haben sich sogar darauf verständigt, das IGF als permanentes Forum der Vereinten Nationen zu etablieren.
Dass sich am Ende eine breite Unterstützung für eine Verstetigung des IGF abgezeichnet hat, ist zwar eine wichtige Errungenschaft. Das Ergebnis ist jedoch ambivalent.
Die Diskussionen über neue, primär staatlich geprägte Formate im IGF zeigen, wie brüchig der Konsens für das Multistakeholder-Modell geworden ist. Ein starkes IGF braucht keine geschlossenen Räume, in denen ausschließlich staatliche Akteure verhandeln. Es braucht bessere Modalitäten, eine nachhaltige Finanzierung und eine klare Anerkennung der Relevanz aller Stakeholder-Gruppen als gleichwertige Teilnehmende. Der erzielte Konsens darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie umkämpft der Prozess war.
Der Konflikt kulminierte schließlich in Absatz 101 der WSIS+20-Resolution, der eine stärkere Rolle von Regierungen im IGF vorsieht. Das war ein Anliegen der „Gruppe der 77“, in der sich Länder der globalen Mehrheitsgesellschaft zusammengeschlossen haben, dem die EU mit ihrem Festhalten am Multistakeholder-Ansatz entgegen trat. Die Bundesregierung hat sich im Einklang mit den NETmundial+10-Prinzipien kontinuierlich für die Beteiligung von Stakeholder-Gruppen im internationalen Kontext bemüht.
Dabei besteht jedoch durchaus eine Doppelmoral. Denn auf nationaler Ebene verfolgt die Regierung diesen Anspruch nicht so konsequent. Beim Beteiligungsverfahren zum Deutschland-Stack etwa wurde die Zivilgesellschaft erst nach freundlichen Hinweisen neben Wirtschaftsverbänden als Zielgruppe für Workshops aufgeführt. Auch beim deutsch-französischen Gipfel zur digitalen Souveränität im November in Berlin spielte die digitale Zivilgesellschaft eine Nebenrolle.

Um zu verstehen, wie viel umfangreicher die digitale Zivilgesellschaft in die internationale Digitalpolitik eingebunden ist – im Vergleich zur nationalen und europäischen Ebene –, lohnt sich ein Rückblick auf die zahlreichen Beteiligungsmöglichkeiten bei der Vorbereitung der Verhandlungen zur WSIS+20-Resolution.
In Deutschland begann dies mit einer vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) organisierten virtuellen Stakeholder-Konsultation im März 2025, die dort als Prozess für “Feinschmecker” bezeichnet wurde. Bereits im April und Mai fand eine umfangreiche Veranstaltungsreihe zum WSIS+20-Prozess statt, organisiert von zivilgesellschaftlichen Organisationen, an der nun auch das neu geschaffene Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) teilnahm.
Hinzu kam ein offenes Konsultationsverfahren der Ko-Fazilitatoren aus Albanien und Kenia, die den UN-Verhandlungsprozess leiteten – wenngleich das Verfahren daraus bestand, dass die Beteiligten drei Minuten ein Statement verlesen konnten, dem meist nur Gleichgesinnte zuhörten.
Zudem setzte sich die EU für die Einrichtung eines Informellen Multistakeholder Sounding Boards ein, welches auch eigene Konsultationen ausgerichtet und kontinuierlich Feedback gegeben hat. Anknüpfend daran konnte die Position der Bundesregierung, die als Gruppe über die EU verhandelt wurde, beeinflusst werden. Informiert bleiben konnte man über die regelmäßigen Updates des BMDS über eine Community-Mailing-Liste.
Für den deutschen Kontext bedeutet WSIS+20 vor allem eines: Der Multistakeholder-Ansatz muss auch national konsequent umgesetzt werden. Andernfalls droht der Ansatz zu einem reinen außenpolitischen Lippenbekenntnis zu verkommen. Die über 170 nationalen, regionalen und Jugend-Internet-Governance-Foren und Initiativen (NRIs), die nun auch in der Resolution hervorgehoben werden, spielen dabei eine Schlüsselrolle.
NRIs sind Orte, an denen globale Aushandlungsprozesse übersetzt, diskutiert und weiterentwickelt werden können, um in nationale und regionale Gesetzgebungsverfahren einzufließen. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie ausreichend finanziell und personell ausgestattet und offen gestaltet sind.
Positiv hervorzuheben ist die signifikante Unterstützung des globalen IGFs durch das BMDS. Gleichzeitig zeigt sich, dass Beteiligung weiterhin zu oft projektbezogen und situativ erfolgt. Gerade vor dem Hintergrund der fehlenden Einbeziehung in Diskussionen rund um digitale Souveränität und Verwaltungsdigitalisierung ist es bedeutsam, zivilgesellschaftliche Expertise frühzeitig und strukturell in alle Bereiche einzubinden.
Das Internet Governance Forum Deutschland steht bislang auf einer fragilen Grundlage. Um seiner Rolle gerecht zu werden, braucht es eine stärkere institutionelle Verankerung, verlässliche Finanzierung und eine klare politische Anerkennung als zentraler Ort für Internet Governance in Deutschland. Nur so kann es langfristig dazu beitragen, internationale Prozesse wie WSIS und den Global Digital Compact mit nationalen Diskursen zu verzahnen.
Außerdem fehlen Räume, in denen in Deutschland über das Domain Name System und kritische Internetressourcen gesprochen wird, für die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) und Regional Internet Registries (RIRs) zuständig sind. Auch Diskussionen über die grundlegende Arbeit der Internet Engineering Task Force oder des World Wide Web Consortiums (W3C) fallen zu oft hinten runter. Dort sucht man oft vergeblich nach zivilgesellschaftlicher Expertise. Genau darin besteht die Stärke des IGFs. Es führt all diese Stränge, Gremien und Prozesse zusammen und schafft Räume für Themen der Internet Governance.
Dementsprechend ist die WSIS+20-Resolution kein Endpunkt, sondern lenkt notwendige Aufmerksamkeit auf internationale Digitalpolitik. Die entscheidenden Weichenstellungen stehen noch bevor: bei der Reform des IGF und der anstehenden Diskussion über dessen Modalitäten, bei der weiteren Umsetzung des Global Digital Compacts und bei der Verankerung digitaler Zusammenarbeit in den Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals). In den kommenden Jahren wird sich entscheiden, ob Multistakeholder-Governance weiter ausgehöhlt oder nachhaltig gestärkt wird.
Eines bleibt dabei klar: Ohne Zivilgesellschaft am Verhandlungstisch gibt es keine legitime und zukunftsfähige Digitalpolitik – weder in New York noch in Berlin.
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Die Bundesregierung verweigert Transparenz darüber, ob deutsche Sicherheitsbehörden bei Datenhändlern einkaufen. Die Frage ist brisant, denn für den Kauf gäbe es keine sichere Rechtsgrundlage. Das zeigen Dokumente aus dem Bundestag, die wir exklusiv vorab veröffentlichen.

Diese Recherche entstand in Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk. Sie ist Teil der Databroker Files.
Seit Monaten häufen sich Berichte über menschenfeindliche Übergriffe von Beamt*innen der US-Abschiebebehörde ICE. Sie inhaftieren massenhaft Menschen, die nach dem Willen der Regierung von US-Präsident Donald Trump das Land verlassen sollen. Um sie aufzuspüren, kann die Behörde ein mächtiges Werkzeug nutzen: Mit Tracking-Daten aus der Online-Werbeindustrie kann sie Milliarden Standorte von Handys ausspionieren.
Die Angebote für solche Informationen kommen von Databrokern und darauf spezialisierten Dienstleistern. Gesammelt werden die Daten angeblich nur zu Werbezwecken, doch auch staatliche Stellen können beherzt zugreifen. Kommerzielle und staatliche Überwachung sind weltweit inzwischen eng verwoben.
Neue Dokumente aus dem Bundestag zeigen jetzt: Die Bundesregierung verweigert zwar eine Auskunft darüber, ob deutsche Sicherheitsbehörden auf solche Standortdaten zugreifen – die Möglichkeit schließt sie aber ausdrücklich nicht aus.
Zugleich nährt ein neues Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages Zweifel daran, ob staatliche Shoppingtouren bei Databrokern überhaupt rechtmäßig wären: Bei Bundespolizei und Bundeskriminalamt fehlt demzufolge eine Ermächtigungsgrundlage; selbst für die mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Geheimdienste ist die Rechtslage unklar.
„Wir haben es hier mit einer echten Black Box zu tun“, konstatiert die Bundestagsabgeordnete Donata Vogtschmidt (Die Linke). Sie lehnt es ab, dass Sicherheitsbehörden den Handel mit Werbedaten anheizen. Als „eindeutig rechtswidrig“ bezeichnet Polizeirechtler Mark Zöller von der Ludwig-Maximilians-Universität München mögliche Datenkäufe durch Sicherheitsbehörden. Auch Geheimdienstforscher Thorsten Wetzling von der Denkfabrik Interface warnt: Behörden könnten beim Kauf von Datenbanken verfassungswidrig handeln.
Über die vielfältigen Gefahren von Handy-Standortdaten aus der Werbeindustrie haben wir in unserer Recherche-Reihe Databroker Files ausführlich berichtet. Anhand echter Datensätze konnten wir zeigen, wie detaillierte Bewegungsprofile auch Millionen Menschen in Deutschland gefährden. Ausspionieren lassen sich sogar Angestellte von Regierung, Militär und Geheimdiensten. Datenschützer*innen gehen davon aus, dass der Datenhandel in der Regel gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt.
Wie also hält es die Bundesregierung mit Databrokern? Das und mehr wollte die Bundestagsabgeordnete Donata Vogtschmidt durch eine Kleine Anfrage erfahren. Solche Anfragen sind ein Werkzeug, das die Fraktionen im Bundestag nutzen können, um die Regierung zu kontrollieren.
In der Antwort, die wir hier veröffentlichen, stellt die Bundesregierung bei den entscheidenden Fragen keine Transparenz her. Fragen dazu, ob Sicherheitsbehörden wie Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei bei Databrokern einkaufen, beantwortet sie nicht. Sie tut dies auch nicht in „eingestufter Form“; das heißt, selbst unter Ausschluss der Öffentlichkeit sollen die Abgeordneten keine Informationen zu einer möglichen Teilnahme am umstrittenen Datenhandel bekommen.
„Auch ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens derart sensibler Informationen kann unter keinen Umständen hingenommen werden“, rechtfertigt sich die Bundesregierung. Demnach könnten „Täter oder potenzielle Zielpersonen ihr Verhalten anpassen und künftige Maßnahmen dadurch erschweren oder gar vereiteln“. Weiter könnte eine Antwort „fremde staatliche Akteure dazu verleiten, entsprechende Dienste anzugreifen, um die jeweiligen Datenbestände im eigenen Sinne zu manipulieren.“
Möglich ist es jedoch durchaus, dass deutsche Sicherheitsbehörden bereits bei Databrokern einkaufen. So schreibt die Regierung:
Die Bundesregierung schließt nicht aus, dass der Bezug von personenbezogenen Daten von Datenhändlern im Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben angemessen sein kann. Dies muss im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Rechtslage individuell geprüft werden.
Details nennt die Bundesregierung lediglich bei weniger sicherheitsrelevanten Behörden. So kauft etwa das „Bundesamt für Kartographie und Geodäsie“ seit einigen Jahren regelmäßig personenbezogene Daten bei kommerziellen Anbietern. Zum Beispiel bei einem Unternehmen, das nach eigenen Angaben unter anderem Adressen von Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern anbietet. Solche Daten sind jedoch weitaus weniger brisant als etwa detaillierte Bewegungsprofile von Handy-Nutzenden.
Die größtenteils ausgebliebene Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage kritisiert die Abgeordnete Donata Vogtschmidt scharf: „Es ist absolut nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung die Öffentlichkeit im Unklaren darüber lässt, ob und in welcher Form Sicherheitsbehörden persönliche Daten einkaufen, die die Menschen vermeintlich freiwillig für Werbezwecke freigegeben haben.“ Die Digitalpolitikerin fordert “Transparenz darüber, wie und auf welcher Rechtsgrundlage deutsche Sicherheitsbehörden am Markt für kommerzielle Geschäfte mit persönlichen Daten beteiligt sind“.
Weiter kritisiert die Abgeordnete, dass der riesige und in der Öffentlichkeit kaum bekannte Markt für personenbezogene Daten entstehen konnte: „Wie konnte es überhaupt dazu kommen?“ Eine Reform der DSGVO wäre wichtig, so Vogtschmidt, würde das Problem aber nicht an der Wurzel packen. Als solche benennt sie den Kapitalismus und das unausgeglichene Kräfteverhältnis zwischen Konzernen und Betroffenen. Ihre Forderung: „Wir brauchen Online-Plattformen im Gemeinwohl ohne Profitabsichten.“
Während die Bundesregierung jeglichen Einblick in mögliche Datenkäufe durch Sicherheitsbehörden für ein Risiko hält, liefern andere Staaten mehr Transparenz. Einkäufe von Handy-Standortdaten durch US-Behörden wurden spätestens ab dem Jahr 2020 schrittweise bekannt. Im November stellte ein Bericht des Kontrollgremiums PCLOB heraus, dass das FBI Kunde bei kommerziellen Datensammlern wie Clearview AI und Babel Street ist.
In den Niederlanden beaufsichtigt das Gremium CTIVD die Geheimdienste. Bereits dessen Bericht aus dem Jahr 2018 handelte davon, wie Agent*innen kommerzielle Datensätze erworben haben. Auch in Norwegen bestätigte das parlamentarische Kontrollgremium EOS-Committee 2023 in einem öffentlichen Bericht, dass der militärische Geheimdienst massenhaft personenbezogene Daten gekauft hat. Die Aufseher*innen sparten nicht mit Kritik, weil der Behörde für das Daten-Shopping eine Rechtsgrundlage fehlte.
Eine grundsätzliche Kritik am Handel mit personenbezogenen Daten aus dem Ökosystem der Online-Werbung ist, dass er in der Regel gegen das europäische Datenschutzrecht verstößt. Die Daten aus dem Angebot von Databrokern haben oftmals schon eine lange Reise hinter sich, noch bevor Sicherheitsbehörden überhaupt ins Spiel kommen. Bereits die Erhebung, etwa durch Apps und Tracking-Firmen, kann rechtswidrig sein, weil die Einwilligung der Nutzer*innen oft nicht informiert erfolgt und somit ungültig ist. Der Weiterverkauf wiederum kann gegen die Zweckbindung verstoßen, die etwa die DSGVO verlangt. Von Werbezwecken kann nämlich keine Rede mehr sein, sobald die Daten zur offenen Handelsware werden.
Diesen Standpunkt vertrat 2024 auch das deutsche Verbraucherschutzministerium. Jüngst sprach die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider im Interview mit netzpolitik.org von einer „unglaublichen Masse an Daten, die rechtswidrig genutzt werden“.
Hätten Sicherheitsbehörden des Bundes überhaupt eine Rechtsgrundlage, um bei Databrokern einzukaufen? Dieser Frage geht ein neues Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages nach. Die dort tätigen Forscher*innen arbeiten laut Selbstbeschreibung parteipolitisch neutral und sachlich objektiv. Ebenfalls im Auftrag der Abgeordneten Vogtschmidt haben sie die „rechtlichen Voraussetzung und Grenzen des behördlichen Ankaufes von personenbezogenen Daten aus Werbedatenbanken“ untersucht. Hier veröffentlichen wir das 25 Seiten umfassende Gutachten [PDF].
Aus dem Gutachten geht hervor: Sicherheitsbehörden fehlt eine klare Rechtsgrundlage für den Kauf von personenbezogenen Daten von Databrokern. Der Kauf kann zudem einen weitreichenden Grundrechtseingriff darstellen, für den es deshalb sehr hohe Hürden gibt. So könnten die Behörden damit etwa in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen.
„Betroffene können in aller Regel weder überschauen noch beherrschen, welche Daten aus welchen Quellen in Werbedatenbanken gespeichert und miteinander verknüpft werden“, schreiben die Wissenschaftler*innen. Zudem besteht „beim Ankauf von Daten aus Werbedatenbanken eine besondere Gefahr von Eingriffen in den Kernbereich privater Lebensgestaltung“.
Wie intim Erkenntnisse aus solchen Daten sein können, zeigen die Databroker Files: Handy-Ortungen offenbarten beispielsweise Besuche in Bordellen, Kliniken oder Gefängnissen; die Nutzung bestimmter Apps kann Aufschluss über Krankheiten oder sexuelle Orientierung geben.
Weiter gehen die Wissenschaftler*innen auf die „Schwere der Belastung“ von Betroffenen ein, wenn Behörden ihre personenbezogenen Daten kaufen. Zunächst erfahren die Betroffenen nichts davon, die Maßnahme ist also heimlich. Außerdem könne es sein, dass die Daten selbst rechtswidrig erhoben wurden. Weiter sei unklar, ob die gekauften Daten „überhaupt inhaltlich korrekt“ sind.
Eine Studie des NATO-Forschungszentrums Stratcom schätzte 2021, dass im Durchschnitt nur 50 bis 60 Prozent der Daten von Databrokern „als präzise angesehen werden können.“ Auch unsere Recherchen zeigten, dass immer wieder Zeitstempel oder Geräte-Kennungen in den Datensätzen von Databrokern falsch sind. Im Fall von geheimdienstlicher Überwachung könnten also Unbeteiligte ins Visier geraten.
Bei BKA und Bundespolizei konstatiert das Gutachten, dass ihnen eine „Ermächtigungsgrundlage“ fehle, um solche Daten zu kaufen. Das heißt: Es gibt in den Gesetzen, die die Arbeit dieser Sicherheitsbehörden regeln, keine Normen, die ein Shopping bei Databrokern erlauben oder rechtfertigen würden.
Weniger deutlich fällt die rechtliche Einordnung allerdings bei den Geheimdiensten des Bundes aus, also Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst. Auch hier finden die Wissenschaftlichen Dienste keine ausdrückliche Rechtsgrundlage. Allerdings kommen sie zu dem Ergebnis, dass der Kauf solcher Daten möglicherweise in Einzelfällen gerechtfertigt sein könnte, wenn auch unter sehr begrenzten Umständen.
Das Gutachten stellt zudem heraus:
Unter welchen Umständen und mit welchen Methoden die Daten erhoben und in die Datenbank eingepflegt wurden, ist daher völlig offen und für den ankaufenden Nachrichtendienst auch kaum mit hinreichender Sicherheit überprüfbar. Es erscheint daher möglich, dass Nachrichtendienste durch den Ankauf an Daten gelangen könnten, die sie im Wege einer Überwachung nicht selbst erheben dürften.
Thorsten Wetzling forscht für die gemeinnützige Denkfabrik Interface zu Geheimdiensten und ADINT. So nennt man die Erlangung geheimdienstlicher Erkenntnisse („intelligence“) durch Daten aus der Werbeindustrie („Ad“). Gerade die Aussicht auf Daten, die Geheimdienste sonst nicht erheben dürften, sieht Wetzling als wesentlichen Anreiz für ADINT. Hierbei könnten sich Geheimdienste auch umfangreiche Genehmigungsverfahren, Nutzungsbeschränkungen und Kontrollvorgaben sparen.
Mit Blick auf das Gutachten beschreibt Wetzling die unklare Rechtslage als besorgniserregend. Gewichtige Gründe sprechen ihm zufolge dagegen, dass die entsprechenden Normen den verfassungsrechtlichen Standards der Bestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Der Forscher warnt:
Sollte die Bundesregierung nachrichtendienstliche Datenkäufe tätigen, so ist deren rechtliche Grundlage ungewiss und verfassungswidriges Handeln durchaus möglich.
Die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider deutet die Rechtslage ähnlich. Ankauf und Nutzung von Werbedaten bedürften „spezieller gesetzlicher Regelungen, welche für die Sicherheitsbehörden bisher nicht bestehen“, schreibt ein Sprecher auf Anfrage von netzpolitik.org und BR. Eine allgemeine Ermächtigungsgrundlage reiche nicht aus. „Hier gilt: Der Rechtsstaat versteckt keine Elefanten hinter Mäuselöchern“, so der Sprecher.
Deutlich wird auch Mark Zöller, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München zu Polizeirecht forscht. Er sagt, es wäre „eindeutig rechtswidrig“, wenn Behörden personenbezogene Daten aus der Werbeindustrie kaufen würden. „Eine spezielle Ermächtigungsgrundlage für den Ankauf solch privater Datenbestände gibt es in keinem Sicherheitsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland.“ Es sei jedoch typisch für Sicherheitsbehörden, dass sie neue Instrumente ohne Rechtsgrundlage erst mal nutzen würden, „bis sich Widerstand regt“. Juristisch könne das aber zum Problem werden, weil damit auch die gerichtliche Verwertbarkeit auf diesem Weg erlangter Beweise in Frage stehe.
Forscher Thorsten Wetzling sieht im Ankauf kommerzieller Daten „einen Paradigmenwechsel bei der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung“, der dringend reguliert werden muss. Das Mandat der unterschiedlichen Gremien zur Kontrolle der Geheimdienste sei für das Phänomen nicht ausreichend. Der Gesetzgeber sollte bei der anstehenden Geheimdienstreform jedoch nicht nur auf ADINT schauen, sondern „die ganze Palette des möglichen Zusammenwirkens privater und öffentlicher Stellen näher in den Blick nehmen“. Im Falle einer gesetzlichen Regelung fordert Wetzling eine Diskussion über Schutzvorkehrungen beim Kauf sensibler Daten – bis hin zu einem möglichen Verbot, hochsensible Daten überhaupt zu kaufen.
Darüber, wie Geheimdienste mit Databrokern umgehen sollten, gibt es im Bundestag gespaltene Meinungen. „Ich lehne es ab, dass Sicherheitsbehörden den vor Datenschutzverletzungen strotzenden Handel mit Werbedatenbanken anheizen und fordere einen gesetzlichen Riegel davor“, sagt Linken-Abgeordnete Donata Vogtschmidt mit Blick auf die neusten Recherchen. Bereits zuvor sagte sie: „Geheimdienste sind Fremdkörper in der Demokratie und müssen schrittweise durch Informationsstellen ohne nachrichtendienstliche Mittel ersetzt werden“.
Eine ambivalente Position äußerte der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter gegenüber netzpolitik.org und BR im Sommer 2024: „Angesichts der Bedrohungslage und der Ressourcenknappheit kann es durchaus sinnvoll sein, auch solche Daten verstärkt für die Aufklärung zu nutzen.“ Andererseits sprach er davon, Datenmarktplätze und Verkäufer zu regulieren, „damit solche Datensätze nicht von gegnerischen ausländischen Diensten im Rahmen hybrider Kriegsführung verwendet werden“ und um „unsere Bürger vor dem Datenabgriff durch ausländische Staaten zu schützen.“
Der Abgeordnete Konstantin von Notz (Grüne) sprach sich 2024 für eine rechtliche Klärung aus. Er verglich das mit anderen Mitteln wie etwa dem Abhören von Telefongesprächen, bei denen es auch klare Regeln gibt.
Auch der Thinktank Hybrid CoE, bei dem Fachleute im Auftrag von EU und NATO hybride Bedrohungen erforschen, bewertet ADINT als zweischneidig. „Die Frage, ob die Chancen die Risiken überwiegen, ist schwer zu beantworten, da sich beide offenbar die Waage halten“, sagte Sprecherin Kirsi Pere auf Anfrage von netzpolitik.org.
Aus Perspektive von Daten- und Verbraucherschutz sollten die Maßnahmen bereits früher ansetzen, und zwar schon bei der schieren Anhäufung der Daten. Nicht zuletzt der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert ein Verbot von Tracking und Profilbildung zu Werbezwecken.
Zumindest scheint im Zuge der Databroker Files das Bewusstsein dafür zu wachsen, wie gefährlich es ist, wenn Angebote von Databrokern praktisch allen offenstehen. Am 4. November haben netzpolitik.org und Recherche-Partner berichtet, wie Datenhändler metergenaue Standortdaten von EU-Personal verkaufen. Wenig später, am 19. November, thematisierte die EU-Kommission Databroker in einem Schreiben an EU-Parlament und Ministerrat. Darin heißt es, leicht gekürzt und aus dem Englischen übersetzt:
Der Handel mit personenbezogenen Daten ist zu einem wachsenden Problem geworden. Solche intransparenten Praktiken untergraben zentrale Grundsätze des Datenschutzrechts und der Privatsphäre, verzerren den Wettbewerb und unterminieren das öffentliche Vertrauen in digitale Märkte. Eine konsequentere Durchsetzung der bestehenden Vorschriften ist erforderlich. Die Kommission wird prüfen, ob zusätzliche Schutzmaßnahmen notwendig sind, um diese Praktiken einzudämmen und die Transparenz im Datenhandel zu erhöhen.
Dabei stehen die Zeichen eigentlich auf Deregulierung. Anlass des Schreibens ist das Vorhaben der EU-Kommission, Daten für KI-Innovationen zu befreien. Auch der Digitale Omnibus, ein Gesetzpaket der EU-Kommission, will Unternehmen beim Datenschutz mehr freie Hand lassen. Offenbar erweisen sich die Databroker Files als Sand im Getriebe der Deregulierung.
Noch im Herbst hatte sich die Bundesregierung mit möglichen Regulierungslücken beim Handel mit personenbezogenen Daten beschäftigt. Anlass war eine schriftliche Frage des Abgeordneten Konstantin von Notz (Grüne). Eine Lücke können etwa Datenmarktplätze sein, die Kontakt zwischen Databrokern und potenziellen Käufern herstellen. Prominentes Beispiel für einen Datenmarktplatz ist der Berliner Anbieter Datarade, der offenbar durch die Maschen der Datenschutz-Regulierung schlüpft und sogar von einer teilweise staatlichen Investition profitiert hat. Über Datarade konnte netzpolitk.org Kontakt zu einem Datenhändler herstellen, der dem Team letztlich 3,6 Milliarden Handy-Standortdaten aus Deutschland zur Verfügung stellte.
In ihrer Antwort vom 16. September schreibt die Bundesregierung, sie „beobachtet aufmerksam die Entwicklungen im Bereich des Datenhandels“. Auch Datenmarktplätze erwähnt sie ausdrücklich. Zu Konsequenzen äußert sie sich jedoch zurückhaltend. „Sollte sich zeigen, dass zusätzliche Regelungen erforderlich sind, wird die Bundesregierung die erforderlichen Schritte prüfen“, heißt es. „Dies kann, je nach Sachlage, auch gesetzgeberische Maßnahmen einschließen.“
Allein in den drei Monaten nach dieser Antwort sind vier große Enthüllungen über die Gefahren von Handy-Standortdaten erschienen – mit Daten aus Belgien, Irland, Frankreich und Italien.
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In einer Debatte um die Chatkontrolle fordert SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler eine Form extremer Überwachung. Auf Fragen, wie diese Überwachung technisch und grundrechtskonform umgesetzt werden soll, hat der Bundestagsabgeordnete offenbar keine Antwort.

Der SPD-Politiker Sebastian Fiedler hat in einer Bundestagsdebatte zur Chatkontrolle am vergangenen Mittwoch gefordert: „Es darf kein Endgerät mehr auf dem europäischen Markt geben, das überhaupt in der Lage ist, kinderpornografisches Material anzuzeigen und zu verarbeiten.“ (Video)
Der Vorschlag würde eine extreme Form von Zensur und Inhaltskontrolle erfordern. Die Technologie und das Vorhaben wären noch weit eingriffsintensiver als die verpflichtende Chatkontrolle, die in Europa vier Jahre lang diskutiert wurde und nun vorerst vom Tisch ist. Zensurtechnologien auf Endgeräten, wie die von Fiedler vorgeschlagene Version, sind eher aus Ländern wie Nordkorea bekannt.
Der Innenpolitiker und Polizist Fiedler, der früher Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter war, fordert diese Form der Überwachung und Informationskontrolle nicht zum ersten Mal. Schon im Jahr 2024 hatte er seinen Vorschlag im Rahmen der Chatkontrolle-Debatte ins Spiel gebracht. Damals behauptete er im Interview mit WDR5, dass eine technische Umsetzung des Vorschlags möglich sei.
Wir hatten schon damals nachgefragt, wie dies funktionieren soll – und bedauerlicherweise keine Antwort von Herrn Fiedler erhalten.
Weil er nun erneut diesen Vorschlag ins Rennen schickt, haben wir wieder nachgefragt. Wir wollten unter anderem wissen, wie die Technologie funktionieren soll, ohne dass es zu einer anlasslosen Komplettüberwachung aller digitalen Inhalte auf sämtlichen Endgeräten kommt.
Außerdem wollten wir von Herrn Fiedler wissen, ob ihm eine Technologie bekannt ist, die das leistet.
Und wir wollten wissen, wie Herr Fiedler ausschließen möchte, dass die Technologie in autoritären Ländern oder in Deutschland unter einer AfD-Regierung dazu genutzt wird, um unliebsame politische Inhalte zu sperren.
Auch dieses Mal hat Herr Fiedler auf die Presseanfrage von netzpolitik.org nicht reagiert.
Sebastian Fiedler hat seine Antwort einen Tag nach Veröffentlichung des Artikels nachgereicht.
Er sei kein Informatiker und habe daher in seiner Rede bewusst nicht den Einsatz einer bestimmten Technologie gefordert, sondern ein Ziel formuliert. Daraus habe er abgeleitet verlangt: „Reden wir darüber, wie wir dieses Ziel technisch, rechtlich und europäisch erreichen.“
Im Ergebnis hat mein Vorschlag jedenfalls mit dem Thema ‚Chatkontrolle‘ nicht das Geringste zu tun. Es handelt sich nicht um staatliche Eingriffe, das Mitlesen oder Scannen von Kommunikation oder Inhalten durch Dritte oder gar das Initiieren von Meldungen an bestimmte Stellen.
Der innenpolitische Sprecher der SPD schreibt weiter, dass er nicht für die Anbieter technischer Lösungen öffentlich werben würde, aber es gebe sie offenbar. Das Thema würde auf internationalen Tagungen und Kongressen zum Kinderschutz schon länger diskutiert und fände große Unterstützung unter anderen vom Netzwerk „Kein Täter werden“, in dem sich Ärztinnen und Ärzte sowie Psychologinnen und Psychologen zusammengeschlossen haben, um mit potentiellen Sexualtätern zu arbeiten, um sie von Taten an Kindern abzuhalten.
Nach Fiedlers Einschätzung setzen autoritäre Staaten bereits alle möglichen, teils menschenverachtenden Technologien ein. Vielfach entwickeln sie diese selbst. „Das ist einer der Gründe dafür, warum alle Demokratinnen und Demokraten in Deutschland aufgerufen sind, eine Regierung mit AfD-Beteiligung zu verhindern“, so Fiedler weiter.
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Weniger Abhängigkeit von den USA ist ein Grundgedanke des Digitalen Euros. Doch ein wichtiges Unternehmen für den Digitalen Euro gehört zum Teil Mastercard. Auch wenn über technische Standards gesprochen wird, sitzen US-Konzerne indirekt mit am Tisch.

Mehr Europäische Souveränität – weniger Abhängigkeit von großen US-Konzernen. Das ist das zentrale Versprechen des Digitalen Euro. Doch immer wenn über technische Standards beim Digitalen Euro geredet wird, sitzen US-amerikanische Big Tech- und Finanzkonzerne mit am Tisch. Mastercard ist sogar an einem der Unternehmen beteiligt, die den Digitalen Euro zum Leben erwecken sollen.
Der Digitale Euro (D€) soll das grenzüberschreitende Bezahlen möglich machen und damit das Oligopol von Mastercard, Visa und PayPal aufbrechen. Spätestens seit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus begründen Befürworter:innen das Projekt der EZB auch mit Europäischer Souveränität.
So verweist Burkhard Balz, Vorstand der Bundesbank, im Tagesspiegel auf das Schicksal des brasilianischen Richters Alexandre de Moraes, der zuerst den ehemaligen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro für seinen Putschversuch verurteilte. Die Trump-Regierung sanktionierte daraufhin den Richter und schloss ihn so de-facto vom Finanzsystem aus. Ähnliche Szenarien seien im europäischen Zahlungsverkehr denkbar. US-Anbieter „können dann darüber entscheiden, ob wir Europäer digital zahlen können oder nicht“, schreibt Bundesbanker Balz.
Weniger Abhängigkeit von US-Firmen ist also das Ziel des D€, insbesondere von Mastercard und Visa, die das bargeldlose Bezahlen in Europa dominieren. Umgesetzt werden soll das auf der einen Seite von EU-Kommission, Ministerrat und Europäischem Parlament – den EU-Gesetzgebern. Sie arbeiten an einem Gesetzespaket zum Digitalen Euro. Auf der anderen Seite arbeitet die Europäische Zentralbank (EZB) bereits an der Umsetzung. Und genau dort wirft der Einfluss von US-Konzernen Fragen auf.
Denn ausgerechnet Mastercard ist auch an einem wichtigen Unternehmen für die Entwicklung des Digitalen Euro beteiligt. Der gleiche Digitale Euro, der uns unabhängiger von Mastercard machen soll.
Denn zur Umsetzung des D€ hat die EZB bereits Aufträge vergeben. Unter Vertrag genommen wurden zehn Unternehmen für insgesamt fünf Aufträge: Alias-System, App und Software Entwicklung, Offline-Lösung, Risko- und Betrugsmanagement sowie sicherer Austausch von Zahlungsinformationen.
Einen Teil der Ausschreibung zur App-Entwicklung gewann die italienische Firma Fabrick. Mastercard hat Anteile an dem Unternehmen, das mehrheitlich zur italienischen Banca Sella Gruppe gehört. Mastercard kaufte sich 2023 in das Unternehmen ein, wie ein Pressemitteilung zeigt, und hält die Anteile bis heute. Wie viele Anteile Mastercard an Fabrick besitzt, ist unklar. Beide Unternehmen haben nicht auf Anfragen von netzpolitik.org reagiert.
Bruno de Conti von der NGO Positive Money führt die Beteiligung von Mastercard auf die hohe Konzentration und Vernetzung innerhalb des Finanzmarkts zurück, er sei daher nicht überrascht gewesen, dass Mastercard an einem der Unternehmen beteiligt gewesen sei. „Dennoch stellt das ein Risiko dar“, warnt de Conti. Es brauche einen möglichst transparenten Prozess und eine starke EZB, die das Gemeinwohl verteidige.
Rechtsprofessor Andreas Kerkemeyer von der TU Darmstadt findet die Minderheitsbeteiligung von Mastercard zumindest überraschend: „Es ist wichtig für das Gelingen des Digitalen Euros, dass die Unternehmen, mit denen die EZB zusammenarbeitet, um die Kernfunktionen bereitzustellen, ihren Sitz in Europa haben, in europäischer Hand sind und auch nicht von nicht-europäischen Unternehmen aufgekauft werden.“
Die EZB teilt auf Anfrage mit, dass die Verträge und Ausschreibungen eine Bedingung beinhalten, um die europäische Autonomie zu sichern. Dieser Bedingung zur Folge müssen alle Dienstleister des Digitalen Euro europäisch kontrolliert sein, also von einem Unternehmen mit Sitz in der EU oder einem EU-Bürger. Die EZB schreibt:
Kontrolle’ bedeutet die Möglichkeit, direkt oder indirekt über ein oder mehrere zwischengeschaltete Unternehmen einen entscheidenden Einfluss auf ein Unternehmen auszuüben. Die Kontrolle kann in einer der folgenden Formen ausgeübt werden: direkte oder indirekte Beteiligung von mehr als 50 % des Nennwerts des ausgegebenen Aktienkapitals der betreffenden juristischen Person oder Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter dieser Person.
Die Minderheitsbeteiligung von Mastercard habe „offenbar keine ‚Kontrolle‘ über den Anbieter zur Folge und wirkt sich daher nicht auf die Eignung des Anbieters aus, Arbeiten und Dienstleistungen für die EZB zu erbringen“, antwortet die EZB auf netzpolitik.org-Anfrage.
Neben der Unternehmensbeteiligung ist Mastercard noch an einer anderen Stelle in der Umsetzung des Digitalen Euro mindestens involviert – ebenso wie einige US-amerikanische Big Tech-Konzerne.
Denn ein wichtiger Teil der D€-Umsetzung geschieht in der Rulebook Development Group (RDG). Diese arbeitet ein Rulebook („Regelwerk“) aus, in welchem einheitliche Regeln und technische Standards festgelegt sind. Besonders relevant ist das für die Unternehmen, die die zukünftigen Zahlungsprozesse abwickeln, etwa Banken oder andere Zahlungsdienstanbieter. Nach Auskunft der Bundesbank wurde die RDG „ins Leben gerufen, um eine Branchenperspektive auf den Entwurf des Regelwerks für den digitalen Euro zu gewinnen.“
Doch mit am Tisch sitzen auch Verbände, deren Mitglieder große US-amerikanischen Unternehmen sind, also genau die, von denen die EZB die europäische Abhängigkeit reduzieren möchte.
Bundesbank und EZB verteidigen auf Anfrage die indirekte Präsenz von US-Konzernen in der RDG. So schreibt die EZB: „Alle derzeitigen RDG-Mitglieder aus dem privaten Sektor stammen aus einem europäischen Verband oder sind mit privaten Institutionen/Unternehmen mit Sitz in der EU verbunden.“ Das schließt allerdings auch Tochterunternehmen nicht-europäischer Konzerne mit ein.
Zudem seien die in der RDG ausgehandelten Regeln nicht verbindlich. „Die Rolle der RDG-Mitglieder ist beratend“, schreibt die Bundesbank auf netzpolitik.org-Anfrage. Die Verantwortung und Eigentümerschaft des Regelwerks bleibe beim Eurosystem. Auch die EZB betont, dass die letztendliche Entscheidung bei ihr liege: „Ein endgültiger Entwurf des vorläufigen Regelwerks wird einer öffentlichen Konsultation unterzogen. Anschließend wird das Regelwerk für den digitalen Euro dem EZB-Rat zur Prüfung und anschließenden Genehmigung vorgelegt.“
Expert:innen aus der Zivilgesellschaft sehen die indirekte Beteiligung von großen US-Konzernen kritischer. So sagt Carolina Melches zu netzpolitik.org: „Dass US-Unternehmen indirekt mit am Tisch sitzen, zeigt die problematische Allgegenwärtigkeit dieser Unternehmen im europäischen Zahlungsverkehr. Will man wichtige Stakeholder dabeihaben, kommt man an den US-Anbietern kaum vorbei.“
Bruno de Conti von der Nichtregierungsorganisation Positive Money Europe warnt, dass es beim Rulebook um „wesentliche Entscheidungen“ gehe. Die Einbindung von privaten Firmen bei Projekten wie dem Digitalen Euro sei auch eine Strategie der Zentralbanken, „um die Zurückhaltung vieler privater Unternehmen in Bezug auf digitale Zentralbankwährungen zu verringern“, schreibt de Conti auf Anfrage.
US-Digitalkonzerne könnten versuchen, auf einen möglichst unattraktiven Digitalen Euro hinzuarbeiten, aber es könnte auch auf eine interoperable Lösung hinauslaufen, so de Conti weiter. Die Frage nach der Problematik der Beteiligung von großen US-Konzernen „betrifft also weniger die Einbeziehung an sich, sondern vielmehr den Einfluss, den sie in den Gesprächen hatten – etwas, über das wir erschreckend wenig wissen.“
Professor Andreas Kerkemeyer ist von der mindestens indirekten Beteiligung der US-Konzerne an der RDG nicht beunruhigt. „Da der Zugang zum Digitalen Euro für die Nutzer nicht über die EZB oder das Eurosystem erfolgt, sondern über (digitale) Zahlungsdienstleister, macht es schon Sinn mit all denjenigen zusprechen, die in diesem Markt aktiv sind“, sagt der Jura-Professor im Gespräch mit netzpolitik.org.
Für Kerkemeyer „besteht immer die Gefahr eines ‚regulatory capture‘, wenn die Vertreter von Firmen an Rechtsregeln mitarbeiten.“ Regulatory capture meint das Kapern einer Institution, die eigentlich dem Gemeinwohl dienen soll, durch einzelne Lobbygruppen.
„Allerdings steuert die EZB den Prozess maßgeblich, sie hat den Vorsitz und das Sekretariat der RDG inne und am Ende entscheidet sie über das Rulebook“, so Kerkemeyer. Außerdem habe die RDG noch mehr Mitglieder als die oben angesprochenen Verbände.
Dass der Digitale Euro gelinge, sehen alle drei Expert:innen auch in der Verantwortung von Parlament und Rat, diese beraten aktuell über das Gesetzespaket zum Digitalen Euro. So sagt Andreas Kerkemeyer: „In der Verordnung werden die wesentlichen Entscheidungen über den Digitalen Euro getroffen. Es ist klar, dass sich das Rulebook innerhalb des Rahmens der Verordnung bewegen muss.“
Carolina Melches von Finanzwende betont: Der Digitale Euro könne nur dann ein echtes Gegengewicht zu US-amerikanischen Anbietern werden, „wenn Infrastruktur und Betrieb bei seiner Einführung rein europäisch sind“. Hierfür müssten sich auch die EU-Gesetzgeber einsetzen.
Aus Sicht von Positive Money Europe ist das Europäische Parlament aktuell die größte Hürde, um Abhängigkeiten von den USA abzubauen. De Conti bezieht sich damit auf den Entwurf von Berichterstatter Navarrete, der im November im Wirtschaftsausschuss diskutiert wurde. Navarrete hatte vorgeschlagen, einen Online-D€ nur dann einzuführen, wenn bis zu seiner Einführung keine privat-wirtschaftliche pan-europäische Alternative bereitstünde.
Dieser Ansatz sei „kurzsichtig“, kritisiert de Conti: „Würde ein solches System letztendlich von einem Nicht-EU-Unternehmen aufgekauft, stünden wir wieder am Anfang – nur mit einer noch größeren Verzögerung bei der Entwicklung eines umsetzbaren und zuverlässigen Plans und einer weiteren Konsolidierung der Marktmacht in den Händen von Nicht-EU-Unternehmen.“
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Zum zweiten Mal hintereinander zeichnet das medium magazin unsere Chefredaktion aus und ehrt netzpolitik.org als „unverzichtbar“.

Nachdem wir uns bereits im vergangenen Jahr über die Auszeichnung unserer Chefredaktion durch das medium magazin freuen durften, war unsere Überraschung umso größer: Erneut werden Anna Biselli und Daniel Leisegang mit dem dritten Platz in der Kategorie „Chefredaktion national“ bei der Wahl zu den „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ geehrt.
2024 hob die Jury hervor, wie netzpolitik.org „komplexe Recherche auf den Punkt“ bringt. Dieses Jahr stand für die unabhängigen Juror:innen offenbar unsere Rolle in den aktuellen Debatten im Mittelpunkt:
Netzpolitik.org war in diesem Jahr voller Debatten über Überwachung, Datenzugriffe und Bürgerrechte unverzichtbar – gerade weil dieses Wissen in vielen Redaktionen fehlt. Auch in eigener Sache geht das Chefredaktions-Duo voran, modernisiert klug Schritt für Schritt den Auftritt des Portals. So bleibt die Redaktion eine verlässliche, unabhängige Stimme für Datenschutz und digitale Freiheitsrechte.
Danke für die Anerkennung und die lobenden Worte, sowohl für unsere Chefredaktion als auch für die Arbeit und Kompetenz des gesamten Teams!
Das medium magazin ist eine Fachzeitschrift für Journalist:innen und mit seinem Erscheinen ab dem Jahr 1986 eine feste Größe in der Branche. Seit 2004 vergibt das Medium die undotierte Auszeichnung „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ in mehreren Kategorien.
In der Kategorie „Journalistinnen des Jahres“ zeichnete das medium magazin unter anderem Isabell Beer und Isabel Ströh für ihre Recherchen zu Vergewaltigungsnetzwerken aus, die sie in mehreren Dokumentationen veröffentlichten.
Den Ehrenpreis für ihr Lebenswerk erhielt Cathrin Kahlweit, die seit vielen Jahren herausragende Reportagen aus dem In- und Ausland veröffentlicht.
Alle gekürten Journalist:innen sind in der aktuellen Ausgabe des Magazins und später auch auf der Website zu finden. Die Jury setzt sich aus mehr als 100 Fachleuten zusammen.
Neben der Auszeichnung des medium magazins erhielt das Team von netzpolitik.org in diesem Jahr noch weitere Preise: Die Recherchen zu den Databroker Files gemeinsam mit dem BR gewannen den „Innovation Award 2025“ beim European Press Prize und wurden als bester interaktiver Online-Beitrag mit dem Datenschutz-Medienpreis (DAME) gekürt. Die Folge „Link-Extremismus“ unserer Podcast-Feature-Staffel „Systemeinstellungen“ zeichnete der Bayerische Journalistenverband mit dem „Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit“ aus. Vielen Dank für all diese Anerkennung unserer Arbeit!
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